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Argumente gegen “Liberale” I

“Die Massenarbeitslosigkeit kommt daher, dass die Löhne zu hoch sind. Wenn wir alle auch für weniger Geld arbeiten würden, hätten auch alle einen Job.”


Was sind “Argumente gegen ‘Liberale’”?



Kennt ihr das? Man quatscht seelenruhig auf einer Party, unterhält sich über das letzte Theaterstück, die Diplomarbeit des Feiernden oder die witzigen Seiten des Vegetarismus, und irgendjemandem entfährt das Wort “Eigentum”. Oder irgendjemand meint, die meisten Hartz-IV-Empfänger könnten ja nichts für ihre Arbeitslosigkeit. Und dann kommt da so ein gegelter Yuppie mit mehr Streifen auf dem Hemd als Hirnzellen und meint, dich erstmal in die “liberale” Theorie einführen zu müssen. Das war zwar schon lange so, aber in letzter Zeit und getrieben durch viele, viele, viele Elemente der Blogosphäre werden diese Menschen immer mehr und ihre Argumente immer dreister dumm.
Da man meistens vor Verwunderung mit offener Klappe dasteht, wenn so jemand seine Argumente runterspult, ist die Kommunikation mit solchen Menschen … unbefriedigend. Ex falsi quodlibet‡, und nach einigen Minuten wilden Folgerns seitens des “Liberalen” kommt man auf keinen grünen Zweig mehr. Die wohlerprobte Gegenstrategie: Die unsinnigen Axiome angreifen, bevor er das Gespräch auf andere Themen lenken kann. Diese Reihe soll dies argumentativ unterstützen.

“Liberale” kurzgefasst



Für die, die von den “Liberalen” nicht gehört haben, eine kurze Zusammenfassung ihrer Theorien:

  1. Ein Handel zwischen zwei freien Individuen läuft immer zum Vorteil beider ab. => Der freie Markt, die Menge aller freien Handelsbeziehungen, erreicht den größten Vorteil für alle Individuuen.
  2. Eigentum ist absolut. Sämtliche anderen Lebensrechte lassen sich aufs Eigentum am eigenen Körper zurückführen. Die Verteidigung des eigenen Eigentums ist der Notwehr gleichgestellt und mit allen Mitteln zulässig.

Das sind die beiden Grundpfeiler des Liberalismus; daraus folgen die anderen Glaubenssätze. Einer davon ist das Thema dieses Artikels:


Arbeitslosigkeit ist einzig und allein Eingriffen in die Arbeitspreisfestlegung (Mindestlöhne, Gewerkschaften, etc.) geschuldet. Ein Lohnsystem, das sich bei sinkendem Bedarf an Arbeit flexibel nach unten anpassen kann, stellt Vollbeschäftigung her.


Bei Adam und Eva angefangen: Angebot, Nachfrage und Marktgleichgewicht



Sehen wir uns die empirischen Erfahrungen mit anderen Waren, z.B. Kondome, an, klingt das erstmal ganz rational. Je teurer Kondome werden, desto mehr Menschen machen sich daran, von der Aussicht auf Gewinn getrieben mehr Kondome herzustellen; je billiger Kondome werden, desto mehr wird es für jeden Schwachsinn verwendet, z.B. als Ersatzluftballon oder Geburtstagsgeschenk. Die Nachfrage sinkt also mit dem Preis, das Angebot steigt; es ergibt sich, graphisch gesehen, ungefähr folgender Zusammenhang:

Nachfrage ist ~1/x, Angebot ~log x

Der Scherz daran ist der Zwischenwertsatz: Da die Nachfrage für einen Preis, der gegen Null geht, gegen positiv unendlich geht, aber das Angebot Null ist, und sich dieses Verhältnis umdreht, wenn man den Preis weit genug schraubt, muss es einen Punkt geben, an dem die beiden gleich sind. Es gibt also einen Preis, zu dem das gesamte Angebot auch nachgefragt wird, aber kein Kondom mehr: Der Markt kann theoretisch im Gleichgewicht sein.

Übertragung auf Arbeit



Die lieben BWLer glauben nun, das ginge so einfach auch für Arbeit. Man ersetze in den obigen Absätzen Kondome durch Arbeit und habe ein Rezept für Vollbeschäftigung. Angebot an Arbeit heißt, dass jemand für Geld arbeiten möchte, Nachfrage heißt, dass man einstellen möchte.
Und mit diesem Argument in der Hinterhand agitieren sie gegen den Sozialismus, Gewerkschaften, Arbeitslosenversicherung und Mindestlöhne. Es klingt ja auch im ersten Moment logisch – bis man sich die Hintergründe überlegt.

Das Modell hinter der Mathematik sieht auf der Arbeitsangebotsseite so aus: Je weniger ein Angestellter verdient, desto weniger ist er bereit, zu arbeiten. Senkt man den Lohn weit genug, so sagen die Liberalen, kehren viele Menschen weitestmöglich der Erwerbsarbeit den Rücken, weil sie sich nicht mehr lohnt. So die Theorie, die in der Graphik veranschaulicht ist: Sinkt der Preis, sinkt das Angebot.

Was diese lieben Liberalen vergessen haben, ist eines: Jeder Mensch muss sich selbst und evtl. auch nicht arbeitende Angehörige versorgen, und angesichts der Tatsache, dass den meisten Menschen keine Arbeitsmittel (Land, Maschinen, Patente) gehören, muss er für Lohn bei jemandem arbeiten, um seinen Lebensstandard zu halten. Sinkt sein Lohn, wird er tendenziell sogar mehr arbeiten, um den Einkommensausfall zu kompensieren. Der Effekt ist natürlich nicht unbegrenzt; irgendwann hat man seine maximale Arbeitszeit erreicht.

Bewusst spiele ich die Beziehung zwischen Löhnen als Unternehmerkosten und Löhnen als Haushaltseinkommen herunter; diese würde wohl die Nachfragekurve komplizierter gestalten, eher in Form einer Parabel. Deshalb ergäbe sich aber keine qualitative Änderung, sondern nur ein komplizierteres Modell.

Die Grafik sieht also korrekter so aus:
Die Nachfragekurve folgt wieder 1/x; die Angebotskurve kommt von einem recht hohen Plateau, das die Angebotskurve schneidet, stürzt dann ab und unter diese und kommt dann langsam wieder über diese hoch.

Und da sind dann gleich drei Stellen, an denen Angebot und Nachfrage gleich sind, also ein Markt im Gleichgewicht sein könnte. Ist ja noch viel besser - oder?

Die linke Stelle ist auch eine schöne Stelle, ein Gleichgewicht, wie es im Lehrbuch steht. Nur eines stört - dass sie nur auftritt, weil der Arbeitende zwar mehr Geld braucht, aber einfach nicht mehr Arbeit leisten kann, als er leistet. In diesem Punkt lag die Wirtschaft im vorletzten Jahrhundert, bevor es Gewerkschaften gab, als eine Familie sich mit Glück ein einziges Zimmer leisten konnte, als Männer und Frauen unter übelsten Bedingungen 16 Stunden am Tag arbeiten mussten und die Arbeitskraft eines Menschen billiger als die eines Pferdes war. Man sieht es ja schon in der Grafik – dieses Gleichgewicht existiert nur, weil die Arbeitgeber mit sinkendem Preis der Arbeit immer mehr Bereiche finden, in denen ein Mensch billiger als eine Maschine ist. Krabben werden ja heute auch nicht von Maschinen gepult, obwohl das maschinell machbar wäre - Schwarze sind billiger. Aber diese Armut wollen die Liberalen doch nicht, oder?

Dann gibt es da noch den mittleren Gleichgewichtspunkt. Wer analytisch fit ist, dem fällt sofort auf, dass zwei Gleichgewichtspunkte direkt nebeneinander nicht stabil sein können – und wahrhaftig, sie sind es nicht. Man schaue sich die Grafik nur mal genau an: Sinkt durch irgendeinen Zufall der Preis der Arbeit, wenn sich der Markt am mittleren Punkt eingependelt hat, ist mehr Arbeitsangebot als Nachfrage da, und das drückt natürlich den Preis, der niedrigere Preis schafft noch mehr Angebotsüberschuss, mehr Überschuss drückt den Preis … Ein Teufelskreis. Genauso in die andere Richtung, die Löhne explodieren schnell. Kurzum, das mittlere Gleichgewicht ist instabil und hält sich im freien Markt nicht.

Bleibt noch das dritte Gleichgewicht: Die Löhne sind so hoch, dass viele Menschen nur wenig arbeiten müssen, aber sich für mehr Geld doch dazu überreden lassen; der hohe Arbeitspreis schreckt die Arbeitgeber zwar ab, einzustellen, aber es gibt nun doch Aufgaben, die nur Menschen erledigen können. Das Gleichgewicht ist stabil und schätzt den Menschen hoch; das ist das Gleichgewicht, das in Boom-Zeiten herrscht.

So schön ist unser vereinfachter Arbeitsmarkt, und doch hat er eine Schwäche: Er könnte auch so aussehen:
Die Angebotskurve aus dem letzten Bild hat sich nach oben, die Nachfragekurve nach unten verschoben, so dass die Schnittpunkte in der Mitte und rechts verschwinden.

Was ist passiert? Gar nicht viel. Der technische Fortschritt ist weiter vorangeschritten und hat Maschinen billiger gemacht, so dass die Arbeitgeber zum gleichen Preis weniger Aufgaben von Menschen und mehr von Maschinen erledigen lassen; und die Menschen haben nun mehr Konsumbedürfnisse, seien es Computer oder gekaufte Musik, so dass sie mehr Geld verdienen wollen, also für den gleichen Preis mehr anbieten. Und voila - zwei Gleichgewichtspunkte weniger, nur weil ein paar Parameter gedreht wurden.† Der einzige Punkt, an dem jetzt noch Gleichgewicht herrschen kann, ist der Punkt, an dem Arbeit wortwörtlich für nen Appel und nen Ei zu kaufen ist.

Dort stehen aber die Gewerkschaft und die Arbeitslosenversicherung als künstlich lohnhebende Faktoren dazwischen. Das bewirkt natürlich, dass die Arbeitslosigkeit existiert, ja, dass die Arbeitslosigkeit strukturell ist. Aber was ist die Alternative? Der freie Fall der Löhne bis zu einem Niveau, das im Vergleich zur Leistungsfähigkeit der Wirtschaft absolut inakzeptabel ist. Auf freien Marktplätzen wie dem MTurk liegen die Stundenlöhne, wie in der August-Le-Monde-Diplomatique nachzulesen ist, bei etwa zwei Dollar fuffzig. Welche Auswirkungen solche Löhne auf die Inlandskaufkraft und damit auf die verkaufbaren Waren und damit auf die Nachfrage nach produzierenden Arbeitern hätte, kann man sich an zwei Fingern abzählen: Hinter dieser Tür wartet die Deflation, der wirtschaftliche Zonk.

Die Handlungsalternativen?

  • Nichts tun und zugucken, wie die wachsende Arbeitslosigkeit den Sozialstaat zugrunde richtet. Sozialer Totalschaden innerhalb von Dekaden.

  • Weiter alles tun, um die Löhne flexibel zu machen. Wirtschaftlicher Totalschaden innerhalb von zwei Dekaden.

  • Die Arbeitsnachfrage erhöhen: Rationalisierung und Maschinisierung verbieten. Effizienz muss bestraft werden! Wirtschaftlicher Totalschaden innerhalb von Jahren.

  • Arbeitsangebot senken. 30-Stunden-Woche, Teilzeitarbeit, usw. fördern statt behindern. Anerkennen, dass mehr Menschen arbeiten wollen, als Arbeit da sein wird.

  • Strukturelle Arbeitslosigkeit akzeptieren. Einen zweiten, unbezahlten Arbeitsmarkt schaffen.

  • Nägel mit Köpfen machen und die Arbeitsfrage dem Markt entziehen. Sozialismus.



Ich weiß ja nicht, wie euch das geht, aber ich mag nur die letzten drei Alternativen.

04.09.2020, Bielefeld — Steve

† Das Gleiche kann übrigens dem linken Punkt passieren, wenn die Nachfrage nach Arbeit sehr hoch wird.
‡ Aus dem Falschen folgt das Beliebige.
Dieser Eintrag wurde am Montag, den 4. September 2006 von Steve geschrieben und in die Kategorie Allgemein eingeordnet. Du kannst alle Kommentare zu diesem Artikel mit dem RSS 2.0 Feed beobachten. Du kannst eine Antwort hinterlassen, oder durch einen Trackback auf diesen Artikel verlinken.
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Kommentar von Heiko am 5. September um 10:17 Uhr

Mathematik ist kalt und genau daß ist das Problem der Betriebswirtschaft. Ein weiterer Punkt wäre, daß Kosten für Umwelt/Natur, aber auch Motivation und Glück der Arbeiter in Bilanzen in keinster Weise aufgeführt werden. Wie auch? Aber am Ende stehen glücklicherweise immer noch Vorgänge (Revolutionen, Klimaveränderung) die bezogen auf einen längeren Zeitraum auch dieses korrigieren werden.

Kommentar von Steve am 5. September um 14:01 Uhr

Hallo Heiko,

Mathematik ist kalt und genau daß ist das Problem der Betriebswirtschaft.

Na ja, Mathematik ist besser als “det poasst scho’”. Ich empfände es auch als recht schwach, gegen das Eingangsargument der BWL mit “Aber dann sind ja alle unglücklich!” zu argumentieren, denn der BWLer wird dir ganz richtig entgegenhalten, dass es besser ist, wenn die Menschen überhaupt erstmal Arbeit haben.
Man muss nur das Modell gut aufstellen, und das ist der Punkt, an dem die meist weltfremden Betriebswirtschaftler scheitern.

die bezogen auf einen längeren Zeitraum auch dieses korrigieren werden.

Höre ich da etwa “historische Notwendigkeit” heraus? ;-)

Schönen Gruß, Steve

Kommentar von Hansruedi Ramsauer am 5. September um 18:00 Uhr

Es gibt nie zuwenig Arbeit, das ist völliger Unsinn, oder sind denn alle Strassen sauber, alle Pflegebedürftigen versorgt, alle Kinder unter Aufsicht, nein natürlich nicht.

Somit muss es also zuwenig Geld geben, aber auch dies ist Unsinn. Die Menge des Geldes ist völlig irrelevant, es geht letztlich nur darum, wie das Geld verteilt ist. Deshalb gab es auch und gibt es teilweise auch ein progressives Steuersystem. Je mehr jemand verdient, desto mehr muss er prozentual abgeben. Nur funktioniert das je länger, desto weniger, weil die Gutverdienenden und noch entscheidender die Vermögenden immer da hingehen, wo die Steuern am tiefsten sind (Standortwettbewerb). Duch die Standortflexibilität der Reichen wird das Steuersystem ansatzweise auf den Kopf gestellt. Die Folge davon, die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer und schon beginnt der Sozialstaat zu kippen. Solange also die Reichen nicht bereit sind, ihren Anteil oder sogar noch mehr zu versteuern, muss das Geld für die Arbeit ausgehen. Dies ist allerdings wegen dem Standortwettbewerb nur freiwillig möglich. Vielleicht sollte man deshalb auch mehr an die Freiwilligkeit appellieren, statt von den gierigen Reichen zu sprechen.

Gruss HRR

P.S. Erst wenn die Liberalen und die Sozialen sich die Hand geben, ist Besserung in Sicht.
P.S. die 30 Stunden-Woche funktioniert nicht. Deutschland ist keine Insel. Die Unternehmer, welche nicht auf Deutschland angewiesen sind, werden so einfach das Land verlassen. Auch das ist Mathematik!
P.S. Wäre der Gewinn der Produktivität gleichmässig verteilt worden, sähe die Welt heute anders aus.

Kommentar von Steve am 5. September um 19:04 Uhr

Hallo Hans-Ruedi Ramsauer,

Es gibt nie zuwenig Arbeit, das ist völliger Unsinn, oder sind denn alle Strassen sauber, alle Pflegebedürftigen versorgt, alle Kinder unter Aufsicht, nein natürlich nicht.

Entschuldigung, nicht genau spezifiziert: Es ist nicht genug Arbeit da, für die jemand bereit und in der Lage ist, zu zahlen.

[Ich kann zu der Hauptargumentation schlecht zitieren, deshalb spreche ich sie wild an]

Die Argumentation ist verbreitet, hat aber leider einen Fehler: Wenn die Menge des Geldes egal wäre - wieso tut das dann weh, wenn die Reichen das Geld nach Übersee verschiffen? Die Menge ist ja egal.

Und wie schon argumentiert, ändert selbst ein abgeschlossenes System (sprich, kein Kapitalabfluss, aber auch keine Exporte) qualitativ nichts. Und auch ein progressives Steuersystem nicht. Wenn die Maschinisierung so weit fortgeschritten ist, dass der Arbeitsmarkt Arbeitnehmern nur noch allen einen Hungerlohn oder einigen einen guten Lohn und dem dreckigen Rest nichts bieten kann, wird auch ein progressives Steuersystem nur noch den Lohn stützen können. Und das geht nur über Alimentierung (das ist Mist) oder über einen zweiten Arbeitsmarkt.

Die Freiwilligkeitsbasis bei der Steuerzahlung ist, angesichts dessen, dass man das seit Jahrzehnten erfolglos macht, natürlich … optimistisch. Hat gestern schon nicht geklappt, wird mangels qualitativ anderer Umstände morgen auch nicht klappen. Da kann man noch so viel appellieren.

Zum P.S.: Hand geben, gerne. Und nach welcher Theorie handelt man dann? Es ist ja nicht so, dass die Schalter, an denen man drehen müsste, um die wirtschaftliche Stellung einer Riesenanzahl an Menschen zu verbessern, bekannt wären und man sich nur zusammentun müsste. Im Gegenteil, in diesem Bereich existiert keine Wissenschaft, und alle tappen im Dunkeln. Nur ist das Dunkel der Liberalen weit dunkler als das sozialistische.

Zum P.P.S.: Ähm, nein, das ist keine Mathematik, das sind unsichtbare Prämissen. Du denkst sicherlich an vollen Lohnausgleich, sprich, eine Lohnerhöhung mit Arbeitszeitreduktion; ich denke da daran, dass der Lohn pro Arbeitseinheit (Stunde) konstant bleibt. Das erhöht die Arbeitskosten der Arbeitgeber um keinen Cent und macht die Belegschaften sogar produktiver. Das einzige Problem an der 30-Stunden-Woche ist der volle Lohnausgleich, denn das ist eine Lohnerhöhung, die man eigentlich seperat verhandeln müsste.

Schönen Gruß, Steve

Kommentar von Hansruedi Ramsauer am 5. September um 21:25 Uhr

Hallo Steve

Beim ersten Punkt sind wir uns offensichtlich einig: Arbeit gibt es immer genug, solange jemand bereit ist und auch die Möglichkeit hat zu bezahlen. Die Produktivitätsfortschritte können dementsprechend kein Problem sein, denn Bedürfnisse gibt es nachwievor genug.

Du schreibst “Wenn die Menge des Geldes egal wäre - wieso tut das dann weh, wenn die Reichen das Geld nach Übersee verschiffen? Die Menge ist ja egal.”

Keine schlüssige Argumentation. Wer sagt, dass das weh tut und was soll das heissen?

Ganz grundsätzlich stimmt die Gleichung, denn wenn die Geldmenge steigt, steigen einfach die Preise, deshalb ist die Geldmenge egal. Es ist aber nicht egal, wohin das Geld fliesst. Da die Schere zwischen Tiefstlöhnen und Toplöhnen massiv auseinander gegangen ist, hat sich auch die Verteilung geändert. Die Sparquote hat sich nicht nur aus irgend welchen Zukunftsängsten heraus erhöht, sondern weil bei den Toplöhnen die Einnahmen schneller steigen als die Konsumausgaben.

Du schreibst weiter “Wenn die Maschinisierung so weit fortgeschritten ist, dass der Arbeitsmarkt Arbeitnehmern nur noch allen einen Hungerlohn oder einigen einen guten Lohn und dem dreckigen Rest nichts bieten kann, wird auch ein progressives Steuersystem nur noch den Lohn stützen können.”

Die Argumentation ist auch hier oekonomisch nicht schlüssig, denn die Maschinisierung hat grundsätzlich nichts mit dem Lohn zu tun, sondern führt entweder zu weniger Arbeit oder zu tieferen Produktpreisen - mit dem Lohn hat das nichts zu tun. Da Grafiken deine Spezialität sind, versuche doch mal einen Zusammenhang herzustellen zwischen Hungerlöhnen und Maschinisierung - ich bin gespannt, ob du was findest.

Der Lohndruck kommt von der Globalisierung. Wenn die Chinesen bereit sind 15 Std. 6 Tage die Woche zu arbeiten, kann sich Deutschland diesem Prozess nicht verschliessen. Es gibt aber auch hier mehrere Möglichkeiten:

1. Die Deutschen arbeiten so viel wie die Chinesen
2. Die Deutschen senken ihre Löhne auf China-Niveau
3. Die Deutschen sind so viel besser, dass dies die Löhne und die Arbeitszeit ausgleicht.
4. Die Deutschen kaufen von den Chinesen so lange keine Produkte, bis diese die selben Arbeitszeiten und Sozialstandards eingeführt haben wie Deutschland.

Es kann doch nicht sein, dass ein Deutscher sich weigert 40-50 Std/Woche zu arbeiten und gleichzeitig Produkte aus China kauft, welche von Arbeitern hergestellt werden, die 80 Std. die Woche arbeiten. Man kann nicht den tiefen Preis beim Konsum haben und gleichzeitig die Arbeit in Deutschland halten.

Gruss HRR

Kommentar von Heiko am 5. September um 22:51 Uhr

Vielleicht hilft auch mal diese zusätzliche Betrachtung: Gibt es Arbeit die der Gemeinschaft des Landes schadet? Forschung und Produktivität sollte ja den Nutzen haben, daß der Mensch sich das Leben (auch hier wieder die Arbeitsvorgänge selbst) erleichtert. Meines Erachtens gibt aber es nun Arbeit bzw. ganze -ketten die nicht dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Da wird die Produktivität verschleudert wo nur ein kleiner Kreis von priviligierten Menschen bedient werden soll: Luxuskarossen, Edelrestaurants,…
Nun kann man gerne mit der Gottheit Markt argumentieren, daß diese doch dadurch an Vielfalt gewinnt. Hält das aber einer wirklich kritischen volkswirtschaftlichen Aufrechnung stand?

Kommentar von Steve am 6. September um 00:20 Uhr

Hallo Hansruedi,

Die Argumentation ist auch hier oekonomisch nicht schlüssig, denn die Maschinisierung hat grundsätzlich nichts mit dem Lohn zu tun, sondern führt entweder zu weniger Arbeit oder zu tieferen Produktpreisen - mit dem Lohn hat das nichts zu tun. Da Grafiken deine Spezialität sind, versuche doch mal einen Zusammenhang herzustellen zwischen Hungerlöhnen und Maschinisierung - ich bin gespannt, ob du was findest.

Darüber ist doch der halbe Artikel geschrieben! Guck dir bitte Grafik II und Grafik III noch mal genau an: II geht nur durch Maschinisierung in III über, weil die Maschinisierung tendenziell menschliche Arbeitskräfte ablöst und dadurch die Nachfragekurve für Arbeit nach unten verschiebt. Für den gleichen Preis braucht man weniger Arbeit. Oder, um mit Marx zu sprechen, der Anteil der Kapitalkosten an den Produktionskosten steigt und die Arbeiterklasse verarmt dadurch. Das ist der Knackpunkt am ganzen Artikel.

Der Lohndruck kommt von der Globalisierung. Wenn die Chinesen bereit sind 15 Std. 6 Tage die Woche zu arbeiten, kann sich Deutschland diesem Prozess nicht verschliessen.

1. Zeig mir bitte auf, wo die Argumentation des Artikels ein offenes System wie den Weltmarkt benötigt. Tut sie das nicht, dann kann keine Entwicklung des Weltmarkts uns das hausgemachte Problem nehmen.

2. Es ist ja nicht so, dass Deutschland (alles netto) massiv importiert und die armen Länder massiv exportieren. Es ist nicht mal so, dass irgendein industrialisiertes Land massiv importiert, von den USA einmal abgesehen. Wenn diese Länder netto exportieren, produzieren sie also im eigenen Land mehr, als sie selbst verbrauchen. Sie arbeiten also mehr, als sie selbst arbeiten müssten; sie importieren Arbeit. Du siehst, ohne China stünden wir gar noch schlechter da. Stört sich die Argumentation des Artikels also auf jeden Fall nicht dran.

Hallo Heiko,

Meines Erachtens gibt aber es nun Arbeit bzw. ganze -ketten die nicht dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

Völlig richtig. Alles Kerben am Holz, dass der Galgen der Herrschenden sein wird - aber leider ab vom Thema ;-).

Schönen Gruß, Steve

Kommentar von Hansruedi Ramsauer am 6. September um 08:58 Uhr

Hallo Steve

…weil die Maschinisierung tendenziell menschliche Arbeitskräfte ablöst und dadurch die Nachfragekurve für Arbeit nach unten verschiebt…

Die Maschinisierung verschiebt die Nachfragekurve der Arbeit für bestimmte Produkte nach unten, was aber nicht heisst, dass es nichts mehr zu tun gibt. Sicher ist dir schon aufgefallen, dass die Infrastruktur verlottert. Von mangelnder Arbeit kann keine Rede sein. Das Problem ist, dass die Personen, welche gerne Arbeit nachfragen möchten, kein Geld haben, um diese zu bezahlen.

…1. Zeig mir bitte auf, wo die Argumentation des Artikels ein offenes System wie den Weltmarkt benötigt. Tut sie das nicht, dann kann keine Entwicklung des Weltmarkts uns das hausgemachte Problem nehmen…

Wir leben hier und heute, willkommen in der globalen Welt. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die Deutschen plötzlich wieder alles selber machen, schau dich mal in deinem Haushalt um, woher das Zeug kommt.

…2. Es ist ja nicht so, dass Deutschland (alles netto) massiv importiert und die armen Länder massiv exportieren. Es ist nicht mal so, dass irgendein industrialisiertes Land massiv importiert, von den USA einmal abgesehen…

Zahlen können manchmal ganz schön verwirren. Auf den ersten Blick hast du natürlich recht, auf den zweiten sieht es etwas anders aus. Die westlichen Länder exportieren Kapital, Dienstleistungen und hochwertige Produkte und importieren die Alltags-Konsumprodukte. Wissensprodukte werden exportiert - Verarbeitete Produkte importiert. Wenn Deutschland eine Maschine exportiert zum Wert von Euro 5 Mio, was glaubst du, wieviele T-Shirts dafür importiert werden können und welche Arbeit mehr Arbeiter benötigt?

Beim Thema Arbeit (gemessen in Std.) sind alle westlichen Länder massive Importeure. Ich kann dir das zwar nicht beweisen, aber es stimmt trotzdem ;-) Du wie alle Oekonomen auch, messen die Arbeit in Geldeinheiten, was natürlich seine Berechtigung hat, nur nicht in diesem Fall. Würden die Deutschen alle T-Shirts selber herstellen statt zu importieren, dann steigt entweder der Preis oder die Arbeitszeit hierzulande oder der T-Shirt-Konsum bricht zusammen.

Gruss HRR

Kommentar von Steve am 6. September um 20:30 Uhr

Hallo Hansruedi,

Die Maschinisierung verschiebt die Nachfragekurve der Arbeit für bestimmte Produkte nach unten, was aber nicht heisst, dass es nichts mehr zu tun gibt.

Stimmt, sonst wäre die Nachfragekurve ja bei Null. Dass sie weiter unten steht, bleibt aber korrekt, und dass das kritisch sein kann, habe ich aufgezeigt.

Das Problem ist, dass die Personen, welche gerne Arbeit nachfragen möchten, kein Geld haben, um diese zu bezahlen.

Da ja Kapital momentan der Hauptflüchtende ist, nehme ich an, du meinst diejenigen, die ihr Haupteinkommen aus Arbeit beziehen. Nimm an, ein Haushalt kann heute von seinem Lohn-Einkommen 5 Arbeitskräfte finanzieren. Nimm weiter an, der Lohn verdoppelt oder halbiert sich: Dann kann er immer noch 5 Menschen bezahlen, weil sich sowohl Einkommen als auch Preise verdoppeln bzw. halbieren.

Ich weiß, so hast du das nicht gemeint. Wenn ich dich richtig verstehe, meinst du, dass eine Verteilung des Einkommens, das heute in Kapital fliesst, auf alle Haushalte, mehr Konsum und damit mehr Arbeit brächte. Und die Entgegnung ist: Na super! Das Geld, das gerade verteilt wurde, wird wieder verprasst (das heißt ja Konsum), und in fünf Jahren stehen wir im gleichen Misthaufen, nur dass die technische Entwicklung ihn noch ein Stück höher gemacht hat.

Es ist nun mal eine Binsenweisheit: Mehr Kapital heißt weniger Arbeit. Hat der Mann mit dem Rauschebart schon vor 150 Jahren erkannt, und wir erleben es am eigenen Leib. Die einzige Lösung, die die Arbeitenden nicht auf Dauer verarmen lässt, heißt da, alle am Gewinn des Kapitals zu beteiligen. Das geht auf dem freien Markt nicht, da Kapital sich von selbst zu großen Haufen zusammenklumpt. Ergo: Kapital darf nicht mehr an den freien Markt, die Gemeinschaft (die Politik) muss da ein Auge drauf haben. Das nennt man Sozialismus.

Wir leben hier und heute, willkommen in der globalen Welt. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass [es anders wäre.

Unbenommen. Habe ich irgendwo geschrieben, dass ich von einem geschlossenen System ausginge? Ich sagte nur, dass die Argumentation genauso für Weltmarkt und Nicht-Weltmarkt funktioniert. Es ist vollkommen schnuppe.

Uebrigens mal ein kleiner Ueberschlag, der ganz gut tut:
Angenommen, jeder Euro, den wir fuer chinesische Importe ausgeben, zerstoert einen deutschen Arbeitsplatz. Die Importe, die weder aus der EU noch aus den USA noch aus Hochlohn-Ostasien kamen, betrugen in 2005 so rund 60 Milliarden Euro. Rechnen wir zu deinen Gunsten - nehmen wir an, es wird alles von mies bezahlten Arbeitern in Deutschland geleistet, also zu 1500 Euro im Monat. Da bleiben magere 3 Millionen Menschen. Selbst die offizielle Arbeitslosigkeit betrug 2005 mehr als 3 Millionen, oder? Und da bleiben die Arbeitskräfte, die hier für den Export nach China produzieren, unberechnet.
Nein, die dritte Welt kann dieses Problem nicht erklären. Die zweite genauso wenig, und der Rest der ersten importiert auch Waren von uns und wir importieren dafür Arbeit, zu gegenseitig gleichen Preisen. Das Problem ist also hausgemacht.

Du wie alle Oekonomen auch, messen die Arbeit in Geldeinheiten, was natürlich seine Berechtigung hat, nur nicht in diesem Fall.

Erstmal nimmst du bitte die Ö-Beleidigung zurück :=(.
Ich weiss nicht, wie es dir geht, aber wenn ich bezahlte Arbeit suche, tue ich das, um … was wohl? Bezahlt zu werden. Wie ich meine Zeit totschlage, da kenne ich bei Gott tausend Wege. Ich brauche also Arbeitslohn, keine Arbeitszeit, und deshalb ist es sinnvoll, Arbeit in Geldeinheiten zu messen. Ich stimme dir zu, dass wir in Zeit gemessen Arbeit exportieren, aber ich halte es nicht fuer relevant.

Schoenen Gruß, Steve

Kommentar von Spießer am 7. September um 00:20 Uhr

Kurzer Kommentar:

-es ist falsch das Individuum hier in die Betrachtung einfließen zu lassen. Jeder Ökonom kennt den Spruch: “der Markt ist effizient, nicht gerecht”. Es geht hier in diesem Modell um die Erhöhung der Arbeit in einer Volkswirtschaft. Durch flexiblere Löhne kann der Arbeitskuchen definitiv wachsen - nur darum geht es. Ob ein Individuum sich seinen Lebensunterhalt mit diesem niedrigen Lohn leisten kann, steht in keinem dieser Modelle zur Debatte, jedoch sei angemerkt, daß die Theorie auch sagt, daß sinkende Löhne im Übrigen auch zu sinkenden (Güter-)Preisen führen.

-Die Umverteilung der Arbeit z.B. durch kürzere Arbeitszeiten unterstellt, daß der Arbeitskuchen gegeben ist und mit einer geschickten Umverteilung die Arbeit gerechter verteilt werden kann. Im Gegenteil: noch mehr Arbeitszeitverkürzung und -teilung würden den Unternehmen höhere Kosten bereiten, allein schon in der Verwaltung, aber auch im Arbeitsprozeß selber.

-Sozialismus, nein danke. Sozialismus ist die gerechte Verteilung von Armut für alle. (Entnommen von Prof. Sinn. Originalzitat: “Kommunismus ist die angeordnete Armut für alle”). Die wirtschaftliche Verfassung der ehemaligen Ostblockländer zeugen davon.

-Vorschlag: Die Macht der Gewerkschaften beschneiden, denn diese kümmern sich einen Dreck um die Anliegen der Arbeitslosen. Sie vertreten nur die Leute, die Arbeit haben: die sollen nämlich 5% mehr Lohn etc bekommen. Hab Herrn Sommer noch nie fordern gehört, daß mehr Leute eingestellt werden sollen, mal abgesehen von Ausbildungsplätzen vielleicht, aber das ist mehr medien-politisches Hickhack.
Hingegen sollte man dem jeweiligen Betriebsrat eines Unternehmens mehr Handlungsspielraum lassen. Der Betriebsrat kennt nämlich das Unternehmen mit dem er verhandelt (er ist ja selber Arbeitnehmer) und weiß um die Chancen und Möglichkeiten. Die ist gerade im Hinblick auf Lohnverhandlungen wichtig. Der Großteil der Unternehmer sind anständigte Leute, die auch um das Wohl ihrer Mitarbeiter besorgt sind. Würden sie die Lohnverhandlungen mit ihrem Betriebsrat aushandeln können, also mit eigenen Mitarbeitern des Unternehmen, so würde manch Unternehmer mehr Verständnis und Entgegenkommen aufbringen, als wenn ihm etwas aus einem Tarifvertrag von oben herab aufdiktiert wird, was evtl. seinem Unternehmen mehr schadet, da vielleicht das letzte Jahr etwas schwierig zu überstehen war. Weniger Zentralisation wagen.

Kommentar von Steve am 7. September um 17:10 Uhr

Hallo Spießer,

Ob ein Individuum sich seinen Lebensunterhalt mit diesem niedrigen Lohn leisten kann, steht in keinem dieser Modelle zur Debatte,

Ach? Setze ein Modell durch, in dem das nicht so ist, und die Arbeiter sorgen dafür, dass sich dein Hirn auf der Straße verteilt. Fürchte die Wut des armen Mannes.

jedoch sei angemerkt, daß die Theorie auch sagt, daß sinkende Löhne im Übrigen auch zu sinkenden (Güter-)Preisen führen.

Da Kosten nicht nur Güterkosten sind, ist der Effekt weit schwächer, gerade im Limit Arbeitskosten -> 0, als der Lohnverfall.

Im Gegenteil: noch mehr Arbeitszeitverkürzung und -teilung würden den Unternehmen höhere Kosten bereiten, allein schon in der Verwaltung, aber auch im Arbeitsprozeß selber.

Dafür erhöht man die Produktivität, gerade bei produktiver Arbeit, ungemein.

Sozialismus ist die gerechte Verteilung von Armut für alle. (Entnommen von Prof. Sinn. Originalzitat: “Kommunismus ist die angeordnete Armut für alle”).
Die wirtschaftliche Verfassung der ehemaligen Ostblockländer zeugen davon.

Du setzt Sozialismus mit der totalitären Planwirtschaft des Ostblocks gleich, oder? Sozialismus ist immer demokratisch, der Ostblock war es (bis auf die frühen Jahre) nie.

Im Übrigen möchte ich dich darauf hinweisen, dass selbst die totalitäre, durch die Sowjets ausgebeutete Mangelwirtschaft des Ostens 11 Prozent wiederhaben wollten. Diesen Stasi- und Bonzenstaat! So arm können die Menschen also nicht gewesen sein.

Die Macht der Gewerkschaften beschneiden, denn diese kümmern sich einen Dreck um die Anliegen der Arbeitslosen.[…] Hingegen sollte man dem jeweiligen Betriebsrat eines Unternehmens mehr Handlungsspielraum lassen.

Die Macht der Gewerkschaften beschneiden bitte; aber wer ist dann die überregionale Vertretung der Arbeiter? Wie dargestellt, sind die Arbeiter in unserer Wirtschaft strukturell benachteiligt, weil Arbeit im Überangebot sein _muss_. Sprich: Sie müssen ein Kartell bauen. Dass die Arbeitslosen daran beteiligt werden sollten, ist richtig, und ob der Flächentarifvertrag so gut ist, darf man auch bezweifeln, aber es muss ein Kartell der Arbeitenden geben, sonst schießen wir uns wirtschaftlich in den Fuß.

Schönen Gruß, Steve

Kommentar von Spießer am 7. September um 23:40 Uhr

>Ach? Setze ein Modell durch, in dem das nicht so ist, >und die Arbeiter sorgen dafür, dass sich dein Hirn auf >der Straße verteilt. Fürchte die Wut des armen Mannes.

Ich weiß nicht, ob das eine passende Antwort auf meine Aussage ist. Naja egal.
Dafür gibt es übrigens Meinungsmacher, die dem Arbeiter suggerieren, daß seine Interessen im Modell enthalten sind.
VWL-Modelle sprechen von “dem Arbeiter” bzw von “Individuen die ihre Arbeitsleistung anbieten” und weitere solcher Floskeln. Da aber alle eine Masse darstellen und es dem Modell egal ist, ob dieses Individuum 3 Kinder oder alleinstehend ist, ist de facto das Individuum als “ich” nicht enthalten. Es ist eine Masse. Schon immer so gewesen. Egal ob das Modelle sind, die “klassische/strukturelle” Arbeitslosigkeit erklären oder ob dies “keynesisanische” Modelle sind.

>Da Kosten nicht nur Güterkosten sind, ist der Effekt >weit schwächer, gerade im Limit Arbeitskosten -> 0, >als der Lohnverfall.

Ich meinte Verbraucherpreise, nicht Unternehmenskosten Die Güterpreise sinken (langfristig) auch für den Konsumenten bei sinkenden Löhnen, denn der Unternehmer hat durch sinkende Löhne einen Handlungsspielraum seine Güter günstiger am Markt anzubieten und damit sinken natürlich auch die Preise für Konsumenten.

>Dafür erhöht man die Produktivität, gerade bei >produktiver Arbeit, ungemein.

Wieso sollte sich die Produktivität bei einer Arbeitszeitverkürzung erhöhen? Das hat nichts mit Arbeitszeitverkürzung zu tun, sondern käme durch eine Kostensenkung zustande, wenn es billiger wäre, zwei anstatt einem Arbeiter einzustellen, die in der Summe genauso lang arbeiten wie einer. Dann wären zwei Arbeiter produktiver, wenn diese zwei bestenfalls soviel kosten wie einer.

Sollte jedoch eine Arbeit ohnehin vielversprechend, also produktiv sein, so daß ein weiterer Arbeiter zu einer Produktivitätssteigerung führt, dann würde eine Neueinstellung ohnehin geschehen und dies ganz ohne Arbeitszeitverkürzung.

Das ist genau das Argument, daß Arbeitszeitverkürzungen eben nichts bringen, sondern nur umverteilen und im Zuge der Umverteilung auch noch Kosten entstehen.
Die 35h-Woche hat jedenfalls nichts in Deutschland gebracht. Im Gegenteil, sie erhöhte die Sockelarbeitslosigkeit in Deutschland, weil Unternehmen eben keine neuen Leute einstellten. Die Kosten einer Neueinstellung zu 35h werden in Deutschland nicht durch den Zugewinn an Produktivität getragen.
Den aus dieser Sockelarbeitslosigkeit entstandenen Langzeitarbeitslosen, die aufgrund von Maßnahmen wie z.B. der 35h-Woche und den “Insider”-lastigen Gewerkschaften (die sich eben nur um die Leute kümmern, die eine Arbeit haben, die Insider eben) entstanden sind, kann kaum noch geholfen werden.

>Du setzt Sozialismus mit der totalitären >Planwirtschaft des Ostblocks gleich, oder? Sozialismus >ist immer demokratisch, der Ostblock war es (bis auf >die frühen Jahre) nie

Was würde denn im Sozialismus zur Wahl stehen?

ich glaube du verwechselst Demokratie mit deiner Auffassung von Gerechtigkeit (evtl heißt Demokratie für dich Gerechtigkeit, insofern würdest du es gleich setzen).
Ist halt die grundsätzliche Gesellschaftsfrage:
Alle kriegen dasselbe vs. alle kriegen das, was ihnen zusteht vs. alle kriegen das was sie verdienen (im Sinne von leisten)
Sozialismus muss sich die Frage gefallen lassen, ob er dafür sorgt, daß Menschen sich anstrengen, ob es sich also lohnt zu arbeiten, also mehr zu arbeiten um mehr zu erreichen als ein anderer. Menschen sind nun mal von Ehrgeiz und Gier beseelte Lebewesen, die besser da stehen wollen als andere. Schafft der Sozialismus einen Anreiz für diese Menschen, die viel, sogar den Großteil an Innovation letztlich beitragen, sich hinsichtlich dieser ureigensten Eigenschaft des Menschen frei entfalten zu können, um am Ende des Tages auch ihr Ziel -nämlich wirtschaftlich besser da zu stehen als der Nachbar- zu erreichen?

>Im Übrigen möchte ich dich darauf hinweisen, dass >selbst die totalitäre, durch die Sowjets ausgebeutete >Mangelwirtschaft des Ostens 11 Prozent wiederhaben >wollten. Diesen Stasi- und Bonzenstaat! So arm können >die Menschen also nicht gewesen sein.

Dann sind ja nur noch 89% zu überzeugen…
arm sein ist relativ. Materiell war der Ostblock jedenfalls bei weitem nicht so üppig ausgestattet. Die Planwirtschaft versagte, weil sie ihre Ressourcen nicht effizient einsetzte. Der freie Markt hingegen sorgt dafür.

>Die Macht der Gewerkschaften beschneiden bitte; aber >wer ist dann die überregionale Vertretung der >Arbeiter? Wie dargestellt, sind die Arbeiter in >unserer Wirtschaft strukturell benachteiligt, weil >Arbeit im Überangebot sein _muss_. Sprich: Sie müssen >ein Kartell bauen. Dass die Arbeitslosen daran >beteiligt werden sollten, ist richtig, und ob der >Flächentarifvertrag so gut ist, darf man auch >bezweifeln, aber es muss ein Kartell der Arbeitenden >geben, sonst schießen wir uns wirtschaftlich in den >Fuß.

Kartelle sind nie gut. Egal von welcher Seite, sie führen zu Ineffizienzen und zu Unbeweglichkeit sobald ein Kartell erstmal seine Position gegenüber anderen Kartellen abgesteckt hat.

Gruß, Spießer
PS: ich sehe mich nicht als typischen Liberalen dieser Globalisierungsepoche, falls du das annehmen solltest

Kommentar von Steve am 11. September um 16:30 Uhr

Hallo Spießer,

Ich meinte Verbraucherpreise, nicht Unternehmenskosten

Die sind ja in der klassischen Wirtschaftstheorie irgendwie gekoppelt. Um aber das Argument zu wiederholen, diesmal in der anderen Formulierung:

Die Kosten des Unternehmers sind nicht nur Lohnkosten. Wenn also Lohnkosten um den Faktor x fallen, tun das die Gesamtkosten um den Faktor y < x. Da der Profit gleich bleiben soll, fällt der Endpreis um den Faktor z < y < x. Sprich, Preise fallen bei weitem nicht so stark wie Löhne.

Der andere Effekt ist, dass man heutzutage ja genauso gut exportieren kann. Und im Ausland haben die Menschen, dank Gewerkschaften, ja noch Geld, also sind da die Preise höher, also sind sie auch im Inland höher.

[Zitat - Bug im HTML-Filter erlaubt keine Kursivschreibung] Wieso sollte sich die Produktivität bei einer Arbeitszeitverkürzung erhöhen? [Zitat Ende]

Das wirst du lernen, wenn du selbst mal arbeitest. Wer um 9 kommt, kann erstmal richtig was leisten. Zur Mittagspause hin hängt man in den Seilen, Kreativität ist weg. Danach bräuchte man erstmal ne Verdauungspause, aber man hat ja 8 Stunden abzuleisten, also macht man weiter und ackert am Nachmittag 5 oder 6 Stunden. Natürlich leistet man da pro Stunde nicht so viel wie ein frischer Arbeiter, der um zwei Uhr in den Betrieb kommt.

[…] Die 35h-Woche hat jedenfalls nichts in Deutschland gebracht. […]

Kein Wunder. Hier in Deutschland hat man ja auch eine ganze Fuhre von Fixkosten, die pro Arbeitnehmer und nicht pro Stunde anfallen. Außerdem wurde die 35-Stunden-Woche oft zu Gehältern von 40-Stunden-Wochen angesetzt.

[…] Was würde denn im Sozialismus zur Wahl stehen?[…]

Ähm, mehr als jetzt? Im Sozialismus hat die Wirtschaftspolitik echten Einfluß, und da muss das Volk auch ansagen, wo seine eigenen Ressourcen hin sollen.

[…] ich glaube du verwechselst Demokratie mit deiner Auffassung von Gerechtigkeit (evtl heißt Demokratie für dich Gerechtigkeit, insofern würdest du es gleich setzen)[…]
Nein, tue ich nicht. Mit Demokratie meine ich, dass ein Demos einen gemeinsamen Willen findet, durch Diskussion und Abstimmung, wie eine Angelegenheit zu regeln ist. Das sagt auch genau das Wort - demos und kratein.

Gerechtigkeit ist hoffentlich das Resultat, aber erstmal eine andere Baustelle.

[…] Alle kriegen dasselbe vs. alle kriegen das, was ihnen zusteht vs. alle kriegen das was sie verdienen (im Sinne von leisten) […]

Alle kriegen dasselbe ist der Kommunismus des dummen Kerls. Der Traum des Kommunismus ist “jedem nach seinen Bedürfnissen”, und nicht jeder hat die selben Bedürfnisse.

Alle kriegen das, was ihnen zusteht, ist dämlich. Die Frage, was wem zusteht, ist genauso schwer zu beantworten wie die, was jeder kriegen soll.

Alle kriegen das, was sie aufgrund ihrer Leistung verdienen, wäre toll. _Das_ will ich. Aber dass das bei weitem nicht so ist, weißt du ja selber. Um das Leistungsprinzip zu verwirklichen, muss die Macht des Besitzes über die Leistung gebrochen werden.

[…] Menschen sind nun mal von Ehrgeiz und Gier beseelte Lebewesen, die besser da stehen wollen als andere. […]

Ach. Mit Verlaub, Du hast ganz schön kaputte Freunde. Meine wollen auch Geld, um zu leben, meine Freunde wollen auch mal besser sein als der Nachbar, aber keiner würde morden, um Geld und Macht zu erhalten. Ergo: Sie sind von Anstand beseelt.
Mancher von ihnen hatte schon die Gelegenheit, einen Freund für Geld zu verraten, und hat es nicht getan: Sie sind also von Freundschaft beseelt.
Viele von ihnen leisten ehrenamtliche Arbeit: Sie sind also von dem Wunsch, etwas zu leisten, beseelt. Selbstbestätigung zu finden. Der Mensch ist ein erstaunlich gutes, ehrenhaftes und aufrichtiges Wesen, wenn man mal genau hinguckt, und der Grund, dass es so viele gierige und kaputte Menschen gibt, ist, dass wir immer und überall annehmen, er sei gierig und kaputt. Selbsterfüllende Prophezeiung.

[…] Schafft der Sozialismus einen Anreiz für diese Menschen, die viel, sogar den Großteil an Innovation letztlich beitragen, sich hinsichtlich dieser ureigensten Eigenschaft des Menschen frei entfalten zu können, um am Ende des Tages auch ihr Ziel -nämlich wirtschaftlich besser da zu stehen als der Nachbar- zu erreichen?[…]

Ja. Sozialismus ist nicht Kommunismus. Sozialismus kennt Geld, Sozialismus kennt Leistung, Sozialismus kennt harte Arbeit. Sozialismus kennt nur nicht den Boss, der einfach nur die Arbeitsmittel besitzt und kraft seines sich selbst vermehrenden Besitzes sich auf die faule Haut legen kann.

[…]Kartelle sind nie gut.[…]

*MÖÖP* Unzulässige Generalisierung.

[…] ich sehe mich nicht als typischen Liberalen dieser Globalisierungsepoche, falls du das annehmen solltest […]

Als was siehst du dich dann? Viel Unterschied ist in deinen Thesen ist nicht da.

Schönen Gruß, Steve

Kommentar von Thomas am 13. September um 01:12 Uhr

was ihr bisher noch völlig ignoriert hab ist die verschiebung der preis/arbeits-kurve nach oben durch erhöhung der qualifikation der arbeitnehmer: wir können uns nur durch zunehmende qualifikation gegen die gigantischen massen an arbeitnehmern aus china und indien abgrenzen. unqualifizierte arbeit wird in zunehmendem maße durch roboter und maschinen ersetzt, folglich müssen wir dafür sorgen, dass unsere arbeitnehmer solche positionen einnehmen die nicht durch maschinen oder chinesen ersetzt werden können. und wir müssen uns damit abfinden, dass es leute gibt die systembedingt zu keinem humanen lohn auf dem ersten arbeitsmarkt eine anstellung finden. ich finde es allerdings durchaus akzeptabel solche leute für gemeinnützige arbeiten, zum beispiel im sozialen bereich, einzusetzen, wo man heute händeringend nach zivis sucht weil man keine regulären arbeitskräfte einstellen kann.
ansonsten sehr lesenswerter beitrag!

Kommentar von Steve am 13. September um 13:43 Uhr

Hallo Thomas,

die Idee mit der Qualifikation ist schön, gut und wohlbekannt. Ein Haken hängt dran:

Wer hält eigentlich die Chinesen davon ab, dasselbe zu tun? Wissen und Qualifikation sind universell. Du hast recht, wer einen Qualifikationsvorsprung hat, kann sich auf dem Weltmarkt Arbeit erkaufen und damit seine Arbeitsnachfrage oben halten; aber dieser Vorsprung ist äußerst labil. In der Technik ist es unglaublich viel schwerer, eine Bresche zu schlagen als durch die Bresche zu folgen, und die Schwellenländer holen blitzschnell auf. Um weiter die Nase vorn zu haben, muss ein Land, dass sich auf Wissensexport verlässt, ohne Unterlass kämpfen, ohne je auch nur einen Zentimeter zu gewinnen. Das nennt man in Irland ein “rat race”, und wer bei sowas mitmacht, der hat von Anfang an verloren. Dieses Rattenrennen mitzumachen, um wirtschaftliche Strukturen zu stützen, die schon durch ein leichtes Stocken des technologischen Fortschritts kippen könnten, ist mir zu kostenintensiv. Kosten an echter Bildung, Kosten an Freiheit (DRM), und Kosten an Lebenszeit.

Mal ganz abgesehen, dass Deutschland in Sachen Bildung schon lange verloren hat ;-).

ich finde es allerdings durchaus akzeptabel solche leute für gemeinnützige arbeiten, zum beispiel im sozialen bereich, einzusetzen, wo man heute händeringend nach zivis sucht weil man keine regulären arbeitskräfte einstellen kann.

Und von welchem Lebensunterhalt reden wir hier? “Einzusetzen” hört sich schon wieder nach Ein-Euro-Jobbern an. Wenn wir aber akzeptieren wollen, dass es strukturell nicht mehr möglich ist, alle Menschen auf dem ersten Arbeitsmarkt unterzubringen - woher nehmen wir uns dann die Arroganz, jemanden, der auf dem zweiten Arbeitsmarkt arbeitet, mit Sozialhilfe abzuspeisen, ihn zur Arbeitsaufnahme zu zwingen, seine Privatsphäre mit entwürdigenden Hausdurchsuchungen zu brechen und ihn bei jeder Gelegenheit als Schmarotzer an den Pranger zu stellen?
Akzeptieren wir den zweiten Arbeitsmarkt als notwendig, muss das bedingungslose Grundeinkommen her.

ansonsten sehr lesenswerter beitrag!

Dankeschön!

Schönen Gruß, Steve

Kommentar von Thomas am 13. September um 14:16 Uhr

Hi Steve

Leider kann ich keine wirkliche Alternative zum Vorsprung durch Bildung erkennen, wenn wir nicht mit den Billiglohn-Ländern konkurieren wollen, wo 60-Stunden-Wochen die Regel sind. Oder wie willst du sonst die Leute hier beschäftigen wenn die Arbeitgeber keinen Vorteil gegenüber Arbeitern in China haben, die für 80$ im Monat so ziemlich jede Arbeit machen?
Und einfach zu akzeptieren, dass über 50% der Bevölkerung von Transferleistungen (ALG, Rente, Kindergeld, …) leben kann keine dauerhafte Lösung sein. Sicher ist selbstverständlich, dass es gewisse Mindeststandarts gibt, die in unserem Sozialstaat gesichert sein müssen, aber wir müssen ganz stark darauf achten, dass die Lohnnebenkosten nicht ins Unermessliche steigen. Die Arbeit hier ist schon so teuer genug und je mehr Arbeitslose von jedem Arbeitnehmer mitgetragen werden um so weiter wandern wir auf der von dir geposteten Grafik nach rechts. Folglich ist es durchaus zumutbar, dass ALG-Bezieher sich im Rahmen ihrer Fähigkeiten für die Gemeinschaft einbringen. Gleichzeitig muss allerdings auch gewährleistet sein, dass jeder Arbeitslose die bestmögliche Unterstützung (Weiterbildung usw.) erhält um schnell wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu kommen. Es soll ja nicht so sein, dass Menschen für eine Situation bestraft werden, für die sie nichts können. Aber es muss auch genug Anreize geben, eine sozialversicherungspflichtige Arbeit anzunehmen. Hier die richtige Balance zu finden ist schwierig, es kann aber keine Lösung sein allen alles zu versprechen und es am Ende auf den Schultern der Erwerbstätigen auszutragen.

Gruß Tom

Kommentar von Steve am 13. September um 18:31 Uhr

Hallo Thomas,

Oder wie willst du sonst die Leute hier beschäftigen wenn die Arbeitgeber keinen Vorteil gegenüber Arbeitern in China haben, die für 80$ im Monat so ziemlich jede Arbeit machen?

Der Witz ist doch dabei: Selbst, wenn die Leute in China unsere Löhne bekämen, wären wir immer noch nicht aus dem Schneider. Wie im Artikel lang und breit dargestellt, stehen wir entweder schon oder werden bald stehen an einem Punkt, wo unsere hausgemachten Probleme die Ökonomie umbringen. Die Chinesen mit ihren Billiglöhnen sind nichts als Opium, eine Scheinbedrohung, die das eigentliche Problem verdeckt. Wäre der Weltmarkt das Problem, wäre unsere Außenhandelsbilanz negativ.

Die Arbeit hier ist schon so teuer genug und je mehr Arbeitslose von jedem Arbeitnehmer mitgetragen werden um so weiter wandern wir auf der von dir geposteten Grafik nach rechts.

Ja, und was willst du denn dagegen tun? Gehst du auf der Grafik nach links, gibt es nur _noch_ mehr Arbeitslose.
Nach rechts auch. Und mit der Zeit wird die Lücke noch größer, und damit wandern wir durch die Unterstützung der Arbeitslosen noch weiter nach rechts, noch mehr Arbeitslose, noch mehr Arbeitskosten …
Meinst du wirklich, es sei überhaupt möglich, _so_ _viel_ Wissensvorsprung zu erarbeiten? Er muss ja jedes Jahr größer werden, um die steigende Automatisierung zu kompensieren. Und er muss wachsen, obwohl die zurückliegenderen Nationen es leichter haben, aufzuholen, als wir, neu zu entwickeln.

Kurzum: Der Vorsprung durch Bildung ist eine äußerst mutige Strategie. Eigentlich sogar unmöglich durchzuführen.
Der einzige Weg, das Shareholder-Kapitalismus-Spiel zu gewinnen, ist, es nicht zu spielen.

Schönen Gruß, Steve

Kommentar von Claudia Troßmann am 14. September um 01:08 Uhr

“Der einzige Weg, das Shareholder-Kapitalismus-Spiel zu gewinnen, ist, es nicht zu spielen.”
Exakt und Lösungen gibt es. Und manche BWler kennen sie sogar. ;-)

Kommentar von Spießer am 14. September um 02:20 Uhr

Hi Steve,

[…] Der andere Effekt ist, dass man heutzutage ja genauso gut exportieren kann. Und im Ausland haben die Menschen, dank Gewerkschaften, ja noch Geld, also sind da die Preise höher, also sind sie auch im Inland höher. […]

Also da wo höhere Preise sind, geht’s den Menschen besser, weil die Löhne höher sind? Ziemlicher Unfug.
Ich zitiere mal Prof. Sinn vom ifo-Institut:

http://www.cesifo-group.de/portal/page?_pageid=36,102910&_dad=portal&_schema=PORTAL&item_link=stp047.htm

„Deutschland hat ein Lohnkostenproblem. Die Stundenlohnkosten der Industriearbeiter sind in den letzten zwanzig Jahren real um fast vierzig Prozent gestiegen. Das war mehr als bei den meisten Wettbewerbern und hat Deutschland seiner Wettbewerbsfähigkeit beraubt. Die Stundenlöhne der deutschen Industriearbeiter sind die höchsten auf der ganzen Welt, und sie übersteigen die Löhne der Wettbewerber in Fernost und in Osteuropa um ein Vielfaches. Das ist ein zunehmendes Problem für die deutsche Wirtschaft. Es erklärt den Rekord an Konkursen, der derzeit zu verzeichnen ist, und die Standortverlagerungen des Mittelstandes, die oftmals das letzte Mittel sind zu überleben.“

Die wesentlichen Gründe, warum wir unsere hohen Löhne nicht mehr halten können – was ausgesprochen schade für uns ist – sind folgende (auch bei Sinn irgendwo nachlesbar):

- die Einführung des Euro, der Deutschland seines Zinsvorteils gegenüber den anderen Ländern beraubt hat (von allen aufgezählten Gründen, wohl DER wichtigste Grund)
- der europäische Binnenmarkt, der uns den Vorteil der Größe des eigenen deutschen Marktes genommen hat.
- die Globalisierung mit der Niedriglohnkonkurrenz aus Fernost
- der Fall des Eisernen Vorhangs, der Osteuropa unmittelbar vor der eigenen Haustür eine neue Niedriglohnkonkurrenz beschert hat

[…] Das wirst du lernen, wenn du selbst mal arbeitest. Wer um 9 kommt, kann erstmal richtig was leisten. Zur Mittagspause hin hängt man in den Seilen, Kreativität ist weg. Danach bräuchte man erstmal ne Verdauungspause, aber man hat ja 8 Stunden abzuleisten, also macht man weiter und ackert am Nachmittag 5 oder 6 Stunden. Natürlich leistet man da pro Stunde nicht so viel wie ein frischer Arbeiter, der um zwei Uhr in den Betrieb kommt. […]

Du brauchst nicht so von oben herab reden, was ich einmal lernen werde. Ich arbeite schon fest und hab den typischen 35h-Vertrag, arbeite aber mehr als 40h die Woche. Die Dinge, die du da schreibst, kann ich für mich und meine Kollegen im Zimmer nicht bestätigen. Lediglich am Freitag nach dem Mittagessen so gegen 13 oder 14 Uhr beginnt es etwas lockerer zu werden, weil man sich aufs Wochenende freut, was nicht heißt, dass man bei dringenden Sachen auch länger bleiben würde. Insofern glaube ich nicht, dass du beschreiben kannst, was es wirklich heißt einen richtigen Vollzeit-Job zu haben, was du aber auch nicht kannst, da du ja auch erst 21 laut deinem Profil bist.

Wenn ich das aber so lese, kommt es mir so ein bischen vor als würdest du das Klischee des faulen Linken bedienen und vertuschst das mit deinen sozialen Plänen. Du kannst anscheinend nicht mehr als max. 5 Stunden arbeiten, weil du danach völlig entkräftet bist und brauchst auch noch eine Verdauungspause. Da kann ich nur (gehässig) empfehlen: Iß in der Mittagspause halt keine Schweinshaxe, sondern mach dir einen Salat, der nicht so schwer im Magen liegt ;-)

[…] Kein Wunder. Hier in Deutschland hat man ja auch eine ganze Fuhre von Fixkosten, die pro Arbeitnehmer und nicht pro Stunde anfallen. […]

richtig, daher heißen sie Fixkosten und nicht Stückkosten

[…] Außerdem wurde die 35-Stunden-Woche oft zu Gehältern von 40-Stunden-Wochen angesetzt. […]

richtig, aber daran sind die Gewerkschaften schuld und da widersprichst du dich zu deinen Äußerungen oben. Dies war im Grunde eine Lohnerhöhung sondergleichen, die keine positiven Wirkungen für die Gesamtwirtschaft entfaltete.

[…] Ähm, mehr als jetzt? Im Sozialismus hat die Wirtschaftspolitik echten Einfluß, und da muss das Volk auch ansagen, wo seine eigenen Ressourcen hin sollen. […]

Ja was denn nun genau?

Kein Land der EU hat die keine Möglichkeit mehr „Wirtschaftspolitik“ zu betreiben. Alles liegt in Brüssel. So darf man nicht mal mehr einen Handelsvertrag mit einem Land abschließen, ohne das dies die EU „erlaubt“. Dies ist mit ein Grund, warum Unternehmen die Politik umgekehrt mehr unter Druck setzen können.

[…] Ach. Mit Verlaub, Du hast ganz schön kaputte Freunde. […]

sehr qualifizierte Aussage, dabei kennen wir uns gar nicht.

[…] Der Mensch ist ein erstaunlich gutes, ehrenhaftes und aufrichtiges Wesen, wenn man mal genau hinguckt, und der Grund, dass es so viele gierige und kaputte Menschen gibt, ist, dass wir immer und überall annehmen, er sei gierig und kaputt. Selbsterfüllende Prophezeiung. […]

da hast du sicherlich recht und ich kann das auch in meinem Freundeskreis so sehen. Es entspricht nur nicht ganz meiner Wahrnehmung in der Arbeit, wo die „gierigen Leute“ eher in den Abteilungsleitungen sitzen und mit ihrer Kohle in Form von teuren Autos, noch teureren Urlauben und geschmacklosen Designerbrillen protzen.

[…]Kartelle sind nie gut.[…]
[…] *MÖÖP* Unzulässige Generalisierung. […]

ts… das kannst du in jedem Buch über Allokationspolitik oder Industrieökonomik nachlesen

Gruß, Spießer

Kommentar von Thomas am 14. September um 15:24 Uhr

[quote]Der einzige Weg, das Shareholder-Kapitalismus-Spiel zu gewinnen, ist, es nicht zu spielen.[/quote]

Und wie willst du das machen? Bisher hat der Sozialismus keinem Land dieser Welt zu Wohlstand verholfen, warum sollte es hier anderst sein? Sobald du über Gebühr in die Wirtschaft eingreifst(v.a. durch sehr hohe Lohnnebenkosten), werden die großen Konzerne abwandern, es wird noch mehr Arbeitslosigkeit geben, noch höhere Beiträge in die Sozialkassen und folglich noch mehr Firmenabwanderungen - eine wunderschöne Abwärtsspirale beginnt und am Ende hast du kubanische Verhältnisse. Irgendwie kommt mir das nicht so erstrebenswert vor.

Ich denke wir sollten akzeptieren, dass die Wirtschaftsform dieses Landes der Kapitalismus ist, zwar ein sozialer Kapitalismus aber trotzdem Kapitalismus. Und ich finde bisher sind wir damit recht gut gefahren. Folglich sollte das Ziel sein gleiche Chancen zu schaffen statt gleicher Ergebnisse: jeder sollte die Möglichkeit haben, unabhängig von seiner Herkunft durch Fleiß und Intelligenz den Aufstieg zu schaffen. Aber es muss sich auch lohnen sich anzustrengen.

Aber vielleicht siehst du ja auch eine andere Möglichkeit; wenn ja dann schreib sie doch mal weil bisher hast du hauptsächlich geschrieben wie wir nicht weiterkommen.

Gruß Thomas

Kommentar von Steve am 14. September um 19:04 Uhr

Hallo zusammen,

Spießer wrote:
Also da wo höhere Preise sind, geht’s den Menschen besser, weil die Löhne höher sind? Ziemlicher Unfug.

Stimmt. Aber ich habe nicht verstanden, wieso du diese argumentative Strohpuppe verbrennst?

Insofern glaube ich nicht, dass du beschreiben kannst, was es wirklich heißt einen richtigen Vollzeit-Job zu haben, was du aber auch nicht kannst, da du ja auch erst 21 laut deinem Profil bist.

Ach. Ich habe schon so manchem Monat Vollzeit und mehr als Vollzeit gearbeitet. Was mich wundert, ist, dass du und deine Kollegen keine Ermüdung zeigen. Ob man nun Hirn oder Arm einsetzt, beides ist am produktivsten, wenn es frisch ist. Ich sehe jetzt mal von den Jobs ab, wo man beides nicht braucht – Buchhalter, Briefstempler, etc.

richtig, aber daran sind die Gewerkschaften schuld und da widersprichst du dich zu deinen Äußerungen oben.

Ähm, nein? Zeig mir bitte _eine_ Stelle, wo ich behauptet habe, die Gewerkschaften hätten alles richtig gemacht oder …

Dies war im Grunde eine Lohnerhöhung sondergleichen, die keine positiven Wirkungen für die Gesamtwirtschaft entfaltete.

meinte, alle Lohnerhöhungen seien positiv zu werten.

Thomas wrote:

Bisher hat der Sozialismus keinem Land dieser Welt zu Wohlstand verholfen, warum sollte es hier anderst sein?

Weil der Sozialismus exakt zwei Mal ausprobiert wurde, beides mal in rückständigen Ländern unter diktatorischen Regimes, und Deutschland äußerst fortschrittlich und inzwischen in einer halbdemokratischen Tradition verwurzelt ist.

Sobald du über Gebühr in die Wirtschaft eingreifst(v.a. durch sehr hohe Lohnnebenkosten), werden die großen Konzerne abwandern,

Lass die großen Konzerne abwandern. Es ist egal. Das allererste neue Gesetz wird nämlich sein: Ihr Kapital bleibt hier. Basta. Das Bankgeheimnis ist schon so weit gefallen, dass sich das Gesetz umsetzen lässt. Falls du mir jetzt mit Artikel 15 des Grundgesetzes kommen willst – man braucht den Konzernen ja nichts zu enteignen, es wird einfach nur die Kapitalfreiheit eingeschränkt. Wegen wirtschaftlicher Notlage, EU-Verträge hin oder her. Dazu ist der Demos durchaus berechtigt.

Folglich sollte das Ziel sein gleiche Chancen zu schaffen statt gleicher Ergebnisse: jeder sollte die Möglichkeit haben, unabhängig von seiner Herkunft durch Fleiß und Intelligenz den Aufstieg zu schaffen. Aber es muss sich auch lohnen sich anzustrengen.

Ja! Gleiche Chancen, gleiche Wertigkeiten, Freiheit für alle, Geld für Leistung. Das sind die Prinzipien des Sozialismus, ob du’s glaubst oder nicht. Sagte sogar George Orwell. Solange du Kapital herrschen lässt, herrscht keine Leistung, und Chancen sind nicht gleich.

Aber vielleicht siehst du ja auch eine andere Möglichkeit; wenn ja dann schreib sie doch mal weil bisher hast du hauptsächlich geschrieben wie wir nicht weiterkommen.

Werde ich tun. Aber das kommt in einem eigenen Artikel. Zuerst muss klar sein, wieso _diese_ Lokomotive nicht weiterlaufen kann.

Schönen Gruß, Steve

Kommentar von Heiko am 14. September um 23:14 Uhr

Hi all,

also wenn ich immer wieder über die gebrauchte Wertung des Wortes “Sozialismus” lese kann ich meinen Kindern einmal sagen: “Ja, ich war dabei als die Worte ihre Bedeutung verloren”. Da wird wahllos getauscht ähnlich dem Leipziger Allerlei, zusammengewürfelt was das Zeug hält nur das es in die sture Heilslehre zur Verteidigung des bestehenden Systems dient. So ist das Problem aller Diskussion das ein Großteil der Menschen unbeweglich in ihren Standpunkten und Meinungen sind. Wer vom derzeitigen System profitiert wird aufgrund des profilierten Egoismus wohl kaum kritische Argumente wählen. Genau hier fängt Lebenserfahrung, Aufgeschlossenheit und wirkliche Reife an. Wer schafft es den Sprung zu wagen?

Liberalität bedeutet nicht für alles offen zu sein. Es muß Normen und Zwänge geben die gerade in der Wirtschaft regelnd eingreifen. Geradezu abergläubig mutet da die Anbetung “der alles regelnden unsichtbaren Hand” an. Man darf gespannt sein ab welcher Arbeitslosenzahl das kritische Moment erreicht ist. Es wird deshalb Zeit die Betriebswirtschaft wieder an das Gemeinwohl auszurichten. Es darf gern als Warnung verstanden werden, daß es immer noch die Korrektur des betrogenen Volkes gibt. Die Form dabei richtet sich ganz nach der getriebenen Zuspitzung.

Kommentar von Thomas am 15. September um 00:42 Uhr

Hi Steve
[…]Weil der Sozialismus exakt zwei Mal ausprobiert wurde, beides mal in rückständigen Ländern unter diktatorischen Regimes, und Deutschland äußerst fortschrittlich und inzwischen in einer halbdemokratischen Tradition verwurzelt ist.[…]
Also 1945 war der Osten Deutschlands ziemlich gleich fortschrittlich wie der Westen. Auch war es in der DDR keine so krasse Diktatur wie in anderen sozialistischen Ländern. Trotzdem ging es den Leuten dort nach ein paar Jahren deutlich schlechter als wenige Kilometer weiter im kapitalistischen Westen. Und das lag nicht an den Reparatitionen die die DDR am Anfang an die UDSSR zahlen musste - der Sozialismus bietet einfach keine Anreize Leistung zu erbringen und es ist nun mal leider so dass die meisten Menschen einfach deutlich engagierter arbeiten wenn es ihrem eigenen Wohl zuträglich ist. Du machst es dir zu einfach die Schuld nur den bösen Konzernen zuzuschieben - es ist einfach so dass wir in einer globalisierten Welt damit leben müssen, dass sich die Lebensverhältnisse immer mehr einander anpassen, was leider weniger vorteilhaft für uns ist. In den nächsten Jahrzehnten werden die Löhne in China, Indien und anderen Wachstumsregionen sich durch verstärkte Investitionen in diesen Ländern immer mehr den westlichen Löhnen annähern und das Problem wird sich aus unserer Sicht etwas entschärfen. Bis es so weit ist wird es für die westlichen Länder sicherlich schmerzhafte Einschnitte geben. Und ich bleibe dabei: der einzige Grund warum unsere Handelsbilanz positiv ist, ist die Tatsache dass wir sehr teure Maschinen die von hoch qualifizierten Facharbeitern hergestellt wurden exportieren und dafür billige T-Shirts und Turnschuhe importieren die in China von Arbeiterinnen für 1 Dollar pro Stunde genäht werden, oft sogar im Auftrag westlicher Firmen. Und unser Bildungssystem ist noch weit davon entfernt optimal zu sein (siehe PISA). Wenn wir da ansetzen und unsere Bildung noch weiter verbessern werden wir auch dauerhaft einen großen Vorteil gegenüber anderen Ländern haben, nicht zuletzt weil Bildung auch eine Frage der Kultur und der Staatsform ist: in einer nicht-demokratischen Kultur mit beschränktem Zugang zum Internet kann keine wirkliche Bildungs-Elite entstehen bzw. wird diese abwandern wie es auch schon heute passiert.

Meine Folgerung daraus ist ganz klar die Beibehaltung des sozialen Kapitalismus als einzige bislang funktionierende Staats- und Wirtschaftsform. Unser einziges Problem ist die ausufernde Bürokratie, die das ganze System lähmt, und der viel zu starke Lobbyismus vieler Interessengruppen die jegliche Reform im Keim ersticken aus Angst um ihre Pründe.

So long
Thomas

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