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Schließung der Postfiliale in Mössingen

Am 23.4. war es im Schwäbischen Tagblatt zu lesen. Mössingen hat nun 20 000 Einwohner und wird damit wahrscheinlich bald dritte große Kreisstadt im Landkreis. Direkt unter diesem Artikel war zu lesen, dass die Deutsche Post AG (DPAG) angekündigt hat, ihre Filiale in Mössingen spätestens zum Jahresende schließen zu wollen. Stattdessen soll in Mössingen fortan eine Post-Agentur die Kunden versorgen. Vor eineinhalb Jahren wurde bereits die Filiale in Belsen in eine Agentur umgewandelt. Damals wurde auf die Postfiliale in Mössingen verwiesen, wenn ein Bürger eine umfassende Betreuung wünscht.
Erste Erfahrungen mit Post-Agenturen haben gezeigt, dass eben gerade nicht der gleiche Service geleistet werden kann. Dies hängt schon allein damit zusammen, dass das Postgeschäft bei den Agenturnehmern immer nur ein Nebenverdienst ist. In Nehren und in Belsen haben die ersten Postagenturen inzwischen wieder aufgegeben, bzw. diesen Schritt angekündigt. Begründungen lagen hierbei in den harten Vertragsbedingungen der Post, und dem Umstand, dass die Agenturen den Groll der Kunden abbekommen, den aber eigentlich das Unternehmen verschuldet. Es handelt sich also nicht um eine einfache Umstellung des Service, sondern um tatsächliche Einschnitte im Dienstleistungsbereich, den die Mössinger Bürger in Zukunft hinnehmen müssen.
Viele Bürger denken sicherlich: „Betrifft mich nicht, habe eh nur zwei Briefe pro Jahr“, doch für jene sei auf den größeren Hintergrund hingewiesen: Die DPAG wurde gemeinsam mit Telekom und weiteren früheren Bundesbehörden in den 90er Jahren privatisiert. Seitdem hat sich die DPAG als „Deutsche Post World Net“ immer mehr auf den globalen Logistikmarkt konzentriert und vernachlässigt nun mehr und mehr ihr eigentliches Stammgeschäft, nämlich die Postdienstleistungen in Deutschland, die ihr auch durch einen Grundversorgungsauftrag gesetzlich vorgeschrieben sind. 12.000 Dienststellen muss die DPAG in Deutschland mindestens unterhalten. Ab 2007 allerdings darf sie die Versorgung dem Wettbewerb überlassen.
Mössingen ist in dieser Sache kein Einzelfall, sondern die Post AG will weitere 200 Filialen schließen, wie ein Sprecher im Februar angekündigt hat.

Es steckt also mehr dahinter als die Sicherung der eigenen Bequemlichkeit. Nämlich die aktive Beteiligung an Gesellschaft und Politik. Als Bürger darf man sich nicht vier Jahre lang zurücklehnen und dann einmal aus dem Haus gehen um der Ordnung halber ein Kreuzchen zu machen. Sondern auch in der wahlfreien Zeit gilt es der Politik klar zu machen, wenn man nicht mit ihren Entscheidungen einverstanden ist. Man wird die bereits durchgeführten Privatisierungen nicht mehr rückgängig machen können, und auch ist zu befürchten, dass die DPAG sich von Unterschriften nicht beeinflussen lässt. Aber vielleicht lassen sich so weitere Aufgaben von staatlichen Aufgaben vermeiden, man denke nur an das Gesundheitswesen.
Also, nicht zurücklehnen und die bequeme Gleichgültigkeit leben, sondern aktiv werden und Flagge zeigen, so lautet die Devise.




Dieser Eintrag wurde am Montag, den 8. Mai 2006 von Basti geschrieben und in die Kategorie Allgemein eingeordnet. Du kannst alle Kommentare zu diesem Artikel mit dem RSS 2.0 Feed beobachten. Du kannst eine Antwort hinterlassen, oder durch einen Trackback auf diesen Artikel verlinken.
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Kommentar von Steve am 8. Mai um 15:53 Uhr

Ich weiß, ich mache mich jetzt unbeliebt, aber:
Du rufst hier nach Widerstand um des Widerstands willen. Es gibt doch genug Ziele, für die sich das Einstehen lohnt: Die NRW-Studentenbewegung, die Verbannung Merkels nach Malta oder die sozialistische Weltrevolution.

Wieso diese Postfiliale? Ersetzt das Ding doch durch einen _Briefkasten_, lasst den versorgenden Postboten einmal am Tag (nach der eh notwendigen Tour) Pakete am Dorfplatz annehmen und gebt nicht zustellbare Sendungen einfach dem Nachbarn. Diese Postfilialerei ist einfach kolossaler Unsinn.

Zum Thema der Postprivatisierung:
Ja, das, was die Post macht, ist ein Dorn in jedermanns Auge. Kapital des Volkes, Allmende also, wird ins Ausland verschifft und die Gewinne veruntreut. Dass diese Privatisierung nicht rückgängig zu machen ist, bestreite ich allerdings: Per Gesetz wiederverstaatlichlen, die mickrigen Investoren mit der Knete, die man aus Übersee wieder zurückholt, ausbezahlen und dann einen vernünftigen Menschen an die Spitze setzen, und der Laden läuft wieder. Wenn einzelne Kapitalisten gegen die demokratisch legitimierten Gesetze Sturm laufen, dann macht man den Morales und zeigt denen, wer das Gewaltmonopol hat.
(Ja, ich finde diese Aktion in Bolivien toll. Das zeigt uns, dass Bananenrepubliken demokratisch inzwischen weiter sind als die Bundesrepublik.)

Schönen Gruß, Steve

Kommentar von Basti am 8. Mai um 16:38 Uhr

Hey Steve,
wenn du meinen Artikel aufmerksam gelesen hast, dann müsste dir eigentlich aufgefallen sein, dass es mir persönlich nicht um die Postfiliale geht.
Lies einfach noch einmal genau den letzten Abschnitt des Textes und dann diskutieren wir weiter!
Basti

Kommentar von Steve am 8. Mai um 16:59 Uhr

Hey Basti,

den habe ich gelesen, keine Sorge. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, rufst du dazu auf, die politische Existenz nicht aufs Wählen zu beschränken.

Dies adressierte ich auch gleich im zweiten Satz: Dass nämlich gerade dieser Aufruf Widerstand um des Widerstand willens sei. Der letzte Absatz ist ein gutes allgemeines Prinzip, aber die konkrete Anwendung behagt mir hier nicht. Wenn du nur über den letzten Absatz diskutieren möchtest, können wir das gerne tun, ich befürchte nur, wir sind da gleicher Meinung.

Ansonsten stehen da für mich zwei Absätze ohne direkte rhetorische Verbindung. Kannst du den Gedankengang präzisieren, der dich von “eigene Bequemlichkeit” und “Postprivatisierung scheiße” zu “Hintern aus der Couch” brachte?

Dank im Voraus und schönen Gruß, Steve

Kommentar von Basti am 8. Mai um 22:07 Uhr

Wie beschrieben. Ich kann es natürlich verstehen, wenn sich z.B. alte Leute dagegen beschweren.
Aber auch die die es nicht unmittelbar betrifft, sollten die gesamtpolitische Bedeutung erkennen. Und da ich nicht davon ausgehe, dass alle so Bescheid wissen wie du, wollte ich dies darlegen.
Gerade weil die Post im Privatisierungswahn der Regierung(en) nur EIN Teil ist, und inzwischen auch ganz andere Bereiche, beispielweise das Gesundheitswesen überdacht werden, wollte ich diesen Punkt hervorheben.
Nicht viele Leute in unserem schönen Land kommen von alleine auf die Mißstände, sondern die Mehrheit braucht einen konkreten Anlass, um Fehlentwicklungen überhaupt zu bemerken! Und um aus der Couch zu kommen.
Eines gilt nämlich immer und überall: Die Leute dort abholen wo sie sind und Ihnen an individuellen Erfahrungen klar machen, was bestimmte Entwicklungen eigentlich bedeuten.
Denn: Es stört den Normalbürger solange nicht, besser noch, es interessiert ihn nicht, ob irgendein Staatsbetrieb privatisiert wird, bis er selbst Einschränkungen hinnehmen muss. Und so kann man unter umständen erreichen, dass die Leute in Zukunft früher dabei sind, und nicht erst dann, wenn es schon (fast) zu spät ist!

Kommentar von DaRockwilda am 8. Mai um 23:54 Uhr

Also erstmal wunderbar Basti dass du jetzt auch zum erlauchten Kreis der Autoren gehörst ;-)

Des Weiteren habe ich gar nicht mitbekommen, dass Mössingen die 20k-Grenze jetzt geschafft hat, hehe dann kann ja jetzt der Padeffke bei der nächsten Wahl doch in den Gemeinderat :-)

@Basti: Du hast mehr als Recht, wenn du die Bequemlichkeit und fast schon Ignoranz anprangerst. Proteste wie in Frankreich sind im obrigheitshörigsten Land Europas (der BRD) undenkbar. Um endlich wieder eine Art “Kultur des aufmerksamen und zur Not Widerstand leistenden Bürgers” in den Menschen zu wecken, kann man auch mal protestieren wenn das Thema vergleichsweise unwichtig ist. Lieber einmal zu viel protestiert als einmal zu wenig.

@Steve: Dass man die Nachbarn das Paket annehmen lässt ist so eine Sache, manche Nachbarn machen das auch gar nicht für einen und was machst du mit den Porno-DVDs und dem über eBay bestellten Menschenherz ?!?!?

Das Problem ist, dass die ganze Chausse mit der Privatisierung angefangen hat und man das nicht aufgehalten hat.

Ein Staatskonzern kann seine Gewinne nämlich dem Staatssäckel zuführen, und so bezahlen die Kunden mit ihren Gebühren nicht ein paar fette Ackermann-Klone, sondern ihren Staat.

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