Argumente gegen “Liberale” III: Wertschöpfende und Staatsbedienstete
Nicht selten, vor allem unter Alkoholeinfluss, hört man ja aus libertären Kreisen, dass die meisten Menschen aus einem einzigen Grund gegen libertäre Ideen wären:
Die Mehrrheit der Bevölkerung profitiere schon heute vom Staat bzw. lebe sogar davon und wäre deshalb eines der folgenden Dinge:
Allen Behauptungen gemeinsam ist eines: Sie stellen den guten, richtigen “Wertschöpfenden”, den “Leistungsträger” dem “Staatsabhängigen” oder “Staatsprofiteur” entgegen. Die numerische Überlegenheit letzterer stellt dabei sicher, dass ersterer langfristig keine Perspektive in einem demokratischen System hat. Die Folgerung: Staat verkleinern oder Demokratie abschaffen, z.B. durch ein Zensuswahlrecht.
Der Denkfehler[1] in dieser Idee ist natürlich simpel: Die angenommene Gegenüberstellung von “Leistungsträger” und “Staatsprofiteur” ist natürlich Nonsens – wäre dem so, dann würden ja aus faulen Staatsprofiteuren die tollsten Leistungsträger, wenn die staatliche Müllabfuhr privatisiert würde. Der Unterschied zwischen Markt und Staat ist nur die Organisationsform, auf der einen Seite der Preis, auf der anderen der Plan. Wer jetzt die Organisation und die Ressourcenzuordnung gemacht hat, das interessiert das Loch, aus dem die Erde ausgehoben wird, nicht. Es gibt Leistungsträger in der freien Wirtschaft und Leistungsträger im Staatswesen, und Schmarotzer in der Wirtschaft und Schmarotzer im Staate. Es gibt auch Alimentierte, die alles leisten, was sie leisten können. Das sind nicht alle, aber so mancher. Und so lange es einen davon gibt, darf kein Mensch der Welt ihnen das Wahlrecht entziehen.
Viel interessanter dabei ist das rhetorische Mittel. Fällt euch da was auf? Die Basis der Argumentation ist das urlinke Axiom von dem Leistungsträger als dem relevanten Element: Es ist ungerecht, wenn der Arbeiter hungert, während der Faule isst, und das Leistungsprinzip ist der Lackmustest für jedes System. Und nun greifen Libertäre an allen Fronten dieses auf. Was sagt uns das? Wieder eine Bewegung, die aus dem konservativen Lager kam und langsam feststellen muss, dass die Sprache der Freiheit untrennbar mit der Sprache der Linken verknüpft ist, weil der, der Liberté sagt, nun mal auch Egalité und Fraternité sagen muss, sonst ist die Freiheit nämlich hohl und leer. Die Libertären sollten auf ihre Worte achten – denn sie werden Gedanken werden.
Bielefeld, 20.09.2020 — Steve
[1] Einer der Denkfehler. Dass die Argumentation allein schon Unsinn ist, weil die Frauen die Mehrheit des Wahlvolkes stellen, aber kaum politische Macht haben, ist wohl noch keinem aufgefallen.
Die Mehrrheit der Bevölkerung profitiere schon heute vom Staat bzw. lebe sogar davon und wäre deshalb eines der folgenden Dinge:
- moralisch so verroht, dass sie die reine und richtige Lehre nicht mehr akzeptieren könnten
- wirtschaftlich total vom Staat abhängig und deshalb an seinem andauernden Ausbau interessiert
- ein Parasit der freien Wirtschaft, der den Staat nutzt, um seinen Wirt auszusaugen und zurückzudrängen
Allen Behauptungen gemeinsam ist eines: Sie stellen den guten, richtigen “Wertschöpfenden”, den “Leistungsträger” dem “Staatsabhängigen” oder “Staatsprofiteur” entgegen. Die numerische Überlegenheit letzterer stellt dabei sicher, dass ersterer langfristig keine Perspektive in einem demokratischen System hat. Die Folgerung: Staat verkleinern oder Demokratie abschaffen, z.B. durch ein Zensuswahlrecht.
Der Denkfehler[1] in dieser Idee ist natürlich simpel: Die angenommene Gegenüberstellung von “Leistungsträger” und “Staatsprofiteur” ist natürlich Nonsens – wäre dem so, dann würden ja aus faulen Staatsprofiteuren die tollsten Leistungsträger, wenn die staatliche Müllabfuhr privatisiert würde. Der Unterschied zwischen Markt und Staat ist nur die Organisationsform, auf der einen Seite der Preis, auf der anderen der Plan. Wer jetzt die Organisation und die Ressourcenzuordnung gemacht hat, das interessiert das Loch, aus dem die Erde ausgehoben wird, nicht. Es gibt Leistungsträger in der freien Wirtschaft und Leistungsträger im Staatswesen, und Schmarotzer in der Wirtschaft und Schmarotzer im Staate. Es gibt auch Alimentierte, die alles leisten, was sie leisten können. Das sind nicht alle, aber so mancher. Und so lange es einen davon gibt, darf kein Mensch der Welt ihnen das Wahlrecht entziehen.
Viel interessanter dabei ist das rhetorische Mittel. Fällt euch da was auf? Die Basis der Argumentation ist das urlinke Axiom von dem Leistungsträger als dem relevanten Element: Es ist ungerecht, wenn der Arbeiter hungert, während der Faule isst, und das Leistungsprinzip ist der Lackmustest für jedes System. Und nun greifen Libertäre an allen Fronten dieses auf. Was sagt uns das? Wieder eine Bewegung, die aus dem konservativen Lager kam und langsam feststellen muss, dass die Sprache der Freiheit untrennbar mit der Sprache der Linken verknüpft ist, weil der, der Liberté sagt, nun mal auch Egalité und Fraternité sagen muss, sonst ist die Freiheit nämlich hohl und leer. Die Libertären sollten auf ihre Worte achten – denn sie werden Gedanken werden.
Bielefeld, 20.09.2020 — Steve
[1] Einer der Denkfehler. Dass die Argumentation allein schon Unsinn ist, weil die Frauen die Mehrheit des Wahlvolkes stellen, aber kaum politische Macht haben, ist wohl noch keinem aufgefallen.
Kommentar von Bodo Wünsch am 20. September um 19:17 Uhr
Sorry, Denker, hier schließen Sie (allzugern) kurz: Bei aller gerechtfertigten Kritik am inkriminierten Artikel, eines steht fest: Über den Einzelnen als Subjekt möglicher Leistungs-Trägerschaft kann auch “die Linke” (was iss’n das fürn Kollektiv?) nicht hinweg. Nix Egalité, Fraternité gern freiwillig - Freiheit heißt Selbst- und nicht Fremdbestimmung. Das ist der Kern libertärer Demokratiekritik, junge Freunde, die ihr hoffentlich der rechtlosen Gewalt abschwört.
Kommentar von Steve am 20. September um 20:16 Uhr
Hallo Herr Wünsch,
um erstmal kurz die Frage zu beantworten: “Die Linke” ist der Sammelbegriff für alle politischen Ansätze, die sich Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit verschrieben haben. Das ist natürlich eine schlechte Definition, aber ich kenne keine weniger schwammige.
Über den Einzelnen als Subjekt möglicher Leistungs-Trägerschaft kann auch “die Linke” nicht hinweg.
Will sie das denn?
Selbstbestimmung setzt nun mal voraus, dass alle Menschen gleichwertig sind und dass denen, die gestrauchelt sind, geholfen wird. Sonst ist mehr Häme als Freiheit darin. Deshalb der Dreisatz Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.
Ich kann ja die libertäre Kritik an diesem Staat verstehen, aber das Ablehnen jeder Art von verpflichtendem Gemeinwesen führt auch nicht gerade ins Glück. Die maximale Summe der Freiheit aller Individuuen ist nun mal nicht die Summe maximaler Freiheiten.
Woher Sie die Idee mit der rechtlosen Gewalt haben, sollten Sie bitte mal erklären.
Schönen Gruß, Steve
Kommentar von Hanspeter am 20. September um 21:02 Uhr
Liberalismus: Die Freiheit Zwang anwenden zu dürfen
Cui bono? bleibt letzlich bei jedem Gegenstand und jeder Idee die Frage.
Während der Liberalismus früher der Befreiung vom Feudalismus und Absolutismus diente und sich im Geiste der Aufklärungs sah, dient der Liberalismus heute, um neue Formen des Feudalismus rechtzufertigen und um Mechanismen des Rechtes und Fairness auszuhölen.
Dies geschieht zurzeit durch Einsparen von Geldbeträgen bei den gesellschaftlichen Sündenböcken (den Armen, Kranken, Invaliden) oder dort wo für ihre Rechte und notabene minimalen Freiheiten gekämpft wird. Damit soll den Reichen letztlich mehr Geld für die Freiheit Zwang anwenden zu dürfen zur Verfügung stehen.
Kommentar von Steve am 20. September um 22:24 Uhr
Hallo Hanspeter,
entschuldige, dass dich die Tirade jetzt trifft, man sollte sie öfter aufsagen, wenn man die Zeit hätte …
Cui bono? bleibt letzlich bei jedem Gegenstand und jeder Idee die Frage.
Nein, nein und nochmals nein! Wer bei allem und jedem “Cui bono?” fragt, der wird doch krank im Kopf, der wird selbst so ein Opportunist, der Dinge eben nur nach “Cui bono?” bewertet. Wenn Ideen keine eigene Daseinsberechtigung haben, ohne Propaganda für eine Klasse darzustellen, wieso dann Ideen? Soll das alles ein riesiges Schachspiel sein? Das kann man auch einfacher haben. Nein, das Politische geht um genuine Ideen, zumindest dort, wo es sich lohnt, Politik zu machen. Ich vermute, dass die Libertären wirklich hinter ihrer Auffassung stehen, und es gilt, die Schwachstelle darin zu finden oder sie zu übernehmen. Das ist Politik, mit der man Menschen begeistern kann. Dass die “demokratischen” Parteien das vergessen haben, zeigte sich Sonntag wieder.
Schönen Gruß, Steve
Kommentar von Hanspeter am 23. September um 12:21 Uhr
Hallo Steve
Ich glaube auch, dass die Libertären hinter ihrer Aufassung stehen, aber ich glaube auch, dass es Leute hinter ihnen gibt, die sie auf den Schild heben, um ganz konkrete Interessen durchzusetzen. Die dialektische Auklärung und das Erörtern der denkerischen Schwachstellen sehe ich durch diese Sicht höchstens innerhalb des universitären Lehrbetriebs gefährdet.
Gruss Hanspeter