Hätten Sie es gewußt? Der Präventionsstaat
Es ist gewiß selten, daß hier im politblog Artikel deutscher Presseorgane im positiven Sinne, nicht als Abschreckung oder als Realsatire, Ihnen empfohlen werden. Ein solcher Ausnahmefall ist eingetreten. Ich empfehle Ihnen einen Artikel der Onlineausgabe der Süddeutschen Zeitung unter dem Titel “Vom Umbau des Rechtsstaats in einen Präventionsstaat - Der große Rüssel” von Heribert Prantl.
Einige Zitate, die Sie auf den Artikel neugierig machen sollten. Lesen Sie ihn, er ist wirklich sehr informativ und aufschlußreich.
Innenminister Schäuble hat geschafft, was seinen Vorgängern nie gelungen war: Eine Grundsatzdiskussion über die Veränderungen des Rechtssystems in Deutschland. Werden seine Pläne umgesetzt, wird jeder Bürger wird zum Ausländer im eigenen Land.
Der Staat baut sein Sicherheitssystem nunmehr vor allem jenseits des Strafrechts aus, weil dort dessen strenge Prinzipien zum Schutz des womöglich unschuldigen Individuums nicht gelten und weil dort Rechtsschutz und Kontrolle im Übrigen schon deshalb nicht funktionieren, weil der Bürger von den Zugriffen meist gar nichts erfährt. Was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß.
Wer weiß schon, beispielsweise, vom “Großen Rüssel”, mit dem vom Bundesamt für Finanzdienstleistungen die Kontendaten abgesaugt werden können? Das Kreditwesengesetz hat schon vor fünf Jahren die Banken verpflichtet, auf eigene Kosten alle notwendigen Vorkehrungen dafür zu treffen, dass der Staat jederzeit online auf die Konten zugreifen kann, ohne dass die Bank, geschweige denn der Kunde davon erfährt, wer diese Daten einsieht und was er damit anstellt. So werden Grundrechte banalisiert.
Die Erfassungsnetze werden dichter, die beobachtungsfreien Zonen kleiner. Aus dem freiheitlichen Rechtsstaat wird ein fürsorglicher Präventionsstaat, der seine Bürger nicht mehr als unverdächtig, sondern als potentiell verdächtig, als “noch” nicht verdächtig betrachtet. Jeder Einzelne gilt als Risikofaktor, jeder muss es sich daher gefallen lassen, dass er, ohne einen konkreten Anlass dafür geliefert zu haben, “zur Sicherheit” überwacht wird.
Der neue Präventionsstaat zehrt von den Garantien des Rechtsstaats; er entsteht, in dem er sie verbraucht. Das ist die Grundproblematik der derzeitigen Politik der inneren Sicherheit. Und das ist der schwärende Konflikt zwischen dem Bundesverfassungsgericht und der herrschenden Politik; das höchste Gericht warnt und warnt und versucht, die rechtsstaatlichen Grundsätze immer wieder zu restaurieren - aber die Politik hat sich von Karlsruhe abgekoppelt.
Pflicht zur Folter
Der Präventionsstaat muss, das liegt in seiner Logik, dem Bürger immer mehr Freiheit nehmen, um ihm dafür Sicherheit zu geben; das trägt den Zug zur Maßlosigkeit in sich, weil es nie genug Sicherheit gibt - an den sich überschlagenden Forderungen Schäubles ist das schon heute ablesbar.
Erfolterte Informationen stinken nicht
Die deutschen Beamten sollen nicht selber die Stromkabel an die Hoden des Delinquenten halten. Wenn dieser aber von anderen und anderswo, in Guantanamo oder Afghanistan, auf diese Weise gesprächig gemacht worden ist, dann sollen die deutschen Behörden davon profitieren dürfen. Geld stinkt nicht, hat einst der römische Kaiser Vespasian gesagt, als er die Besteuerung der öffentlichen Toiletten einführte. Für den Innenminister sind es erfolterte Informationen, die angeblich nicht stinken.
Neulich warf ich die Frage auf: “Gibt es eigentlich noch Journalisten, oder ist alles in unseren Presseorganen nur noch Public relation?”
Es gibt noch Journalisten.
Glücklicherweise.
Einige Zitate, die Sie auf den Artikel neugierig machen sollten. Lesen Sie ihn, er ist wirklich sehr informativ und aufschlußreich.
Innenminister Schäuble hat geschafft, was seinen Vorgängern nie gelungen war: Eine Grundsatzdiskussion über die Veränderungen des Rechtssystems in Deutschland. Werden seine Pläne umgesetzt, wird jeder Bürger wird zum Ausländer im eigenen Land.
Der Staat baut sein Sicherheitssystem nunmehr vor allem jenseits des Strafrechts aus, weil dort dessen strenge Prinzipien zum Schutz des womöglich unschuldigen Individuums nicht gelten und weil dort Rechtsschutz und Kontrolle im Übrigen schon deshalb nicht funktionieren, weil der Bürger von den Zugriffen meist gar nichts erfährt. Was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß.
Wer weiß schon, beispielsweise, vom “Großen Rüssel”, mit dem vom Bundesamt für Finanzdienstleistungen die Kontendaten abgesaugt werden können? Das Kreditwesengesetz hat schon vor fünf Jahren die Banken verpflichtet, auf eigene Kosten alle notwendigen Vorkehrungen dafür zu treffen, dass der Staat jederzeit online auf die Konten zugreifen kann, ohne dass die Bank, geschweige denn der Kunde davon erfährt, wer diese Daten einsieht und was er damit anstellt. So werden Grundrechte banalisiert.
Die Erfassungsnetze werden dichter, die beobachtungsfreien Zonen kleiner. Aus dem freiheitlichen Rechtsstaat wird ein fürsorglicher Präventionsstaat, der seine Bürger nicht mehr als unverdächtig, sondern als potentiell verdächtig, als “noch” nicht verdächtig betrachtet. Jeder Einzelne gilt als Risikofaktor, jeder muss es sich daher gefallen lassen, dass er, ohne einen konkreten Anlass dafür geliefert zu haben, “zur Sicherheit” überwacht wird.
Der neue Präventionsstaat zehrt von den Garantien des Rechtsstaats; er entsteht, in dem er sie verbraucht. Das ist die Grundproblematik der derzeitigen Politik der inneren Sicherheit. Und das ist der schwärende Konflikt zwischen dem Bundesverfassungsgericht und der herrschenden Politik; das höchste Gericht warnt und warnt und versucht, die rechtsstaatlichen Grundsätze immer wieder zu restaurieren - aber die Politik hat sich von Karlsruhe abgekoppelt.
Pflicht zur Folter
Der Präventionsstaat muss, das liegt in seiner Logik, dem Bürger immer mehr Freiheit nehmen, um ihm dafür Sicherheit zu geben; das trägt den Zug zur Maßlosigkeit in sich, weil es nie genug Sicherheit gibt - an den sich überschlagenden Forderungen Schäubles ist das schon heute ablesbar.
Erfolterte Informationen stinken nicht
Die deutschen Beamten sollen nicht selber die Stromkabel an die Hoden des Delinquenten halten. Wenn dieser aber von anderen und anderswo, in Guantanamo oder Afghanistan, auf diese Weise gesprächig gemacht worden ist, dann sollen die deutschen Behörden davon profitieren dürfen. Geld stinkt nicht, hat einst der römische Kaiser Vespasian gesagt, als er die Besteuerung der öffentlichen Toiletten einführte. Für den Innenminister sind es erfolterte Informationen, die angeblich nicht stinken.
Neulich warf ich die Frage auf: “Gibt es eigentlich noch Journalisten, oder ist alles in unseren Presseorganen nur noch Public relation?”
Es gibt noch Journalisten.
Glücklicherweise.
Kommentar von Karin am 22. April um 01:47 Uhr
Ich danke euch sehr.
Karin
Kommentar von Ralph Kutza am 22. April um 05:55 Uhr
@nemetico:
Es gibt noch Journalisten?
Wieso der Plural?
Zählt H. Prantl etwa doppelt?
Nun gut, darüber könnte man sogar diskutieren!
Aber ansosnten gilt: Ein einziges Aushängeschild bzw. Feigenblatt macht aus einem Saustall noch längst keinen duftenden Garten.
Die Süddeutsche trägt die staatstragenden Sauereien ebenso mit wie die Springer-Presse und Spiegel oder Focus oder Zeit …
(egal ob zu al-CIA-da, 9/11 oder auch neoliberalem TINA-Geschwätz)
Kommentar von RJ am 22. April um 11:21 Uhr
Klar gibt es solche Journalisten und ordentliche Texte in Zeitungen und Zeitschriften. Spannend ist es zum Beispiel, wenn Bettina Gaus in der taz und Heribert Prantl in der SZ Kommentare zum selben Thema schreiben und immer ein bisschen besser als die/der andere sein wollen.
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