Killology - Wie man Killer heranzüchtet
Die “Lehre vom Töten”, wenn man so will, nennt man auf englisch “Killology”. Und auf der gleichnamigen Internetseite www.killology.com hat sich die “Killology Research Group” um ihren Direktor Dave Grossman dem Thema verschrieben. Gossman schrieb über das Thema ein Buch mit dem Titel “Über das Töten: Der psychologische Preis für das Lernen des Tötens im Krieg und in der Gesellschaft”, das für den Pulitzerpreis nominiert wurde.
Am Sonntag erschien ein großartiger Artikel von Vicki Haddock im San Francisco Chronicle zum Thema. Für alle des englischen mächtigen eine Pflichtlektüre.
In dem Artikel geht es um die Fähigkeit des Menschen, andere Mitmenschen zu töten.
Dieses Verhalten wird von Natur aus bei den allermeisten Menschen erstmal geblockt. Um die Gesellschaft nicht in eine blutrünstige Anarchie zu verwandeln, haben die meisten Menschen Skrupel davor, einen anderen Menschen zu töten.
Parallel dazu nennt Haddock die Klapperschlange, die zwar Feinde mit einem tödlichen Biss umbringt, aber im Kampf mit Artgenossen nur ein nicht tödliches “wrestling” betreibt.
Dieses Zurückschrecken vor Mord lässt sich auch empirisch belegen. Fragt einfach in eurem Bekanntenkreis, und trotz der hohen Zahl an Mördern in Nachrichten, Film und Fernsehen werdet ihr hören, dass eure Mitmenschen Probleme damit hätten, andere zu töten.
Diese Hemmungen stellen naturgemäß für einige Einrichtungen und Individuen ein großes Problem dar.
Polizeikräfte, Spione und allen voran natürlich das Militär sind grundsätzlich auf Mitglieder angewiesen, die andere Menschen ohnr Skrupel töten können.
Auch für Opfern von Gewalttaten wäre es unter Umständen von Vorteil, diese Hemmungen ablegen zu können. Ein gut platzierter Schuss auf einen Amokläufer könnte andere Leben retten.
Die Mitglieder dieser Einrichtungen zeigten früher trotz eines gewissen Trainings im Kampf dann trotzdem das Verhalten, andere Menschen nicht töten zu wollen.
Während des amerikanischen Bürgerkrieges war die entscheidende Schlacht die Schlacht von Gettysburg. Laut der “Civil War Collector’s Encyclopedia” waren fast 90% der Musketen, die man nach der Schlacht fand, noch geladen. Die Hälfte von ihnen sogar mehrfach.
Dies lässt den Schluss zu, dass die Soldaten damals, die immerhin auf ihre eigenen amerikanischen Brüder und Schwestern schießen sollten, Skrupel hatten und so taten, als würden sie ständig nachladen müssen. Dies wird um so plausibler, wenn man bedenkt dass die Schützen damals 95% der Zeit mit dem aufwändigen Nachladevorgang zu Gange waren.
Ein Historiker der amerikanischen Armee, Brigadegeneral Marshall, kam zu einem interessanten Ergebnis seiner Nachforschungen: Im Zweiten Weltkrieg hätten nur ein Fünftel der amerikanischen Soldaten tatsächlich auf den Feind gefeuert, wenn sie freies Schussfeld hatten.
Der Grund dafür wäre nicht gewesen, dass sie allesamt Feiglinge waren. Sie schossen zwar nicht, aber riskierten für die Rettung verletzter Kameraden im Gefecht dennoch ohne zu zögern ihr Leben. Das Problem war das Töten.
Laut Haddock hatte das FBI früher das selbe Problem. Eine hohe Zahl an Polizisten weigerten sich abzudrücken, selbst wenn andere Leben in Gefahr waren.
Und selbst diejenigen Polizisten und Soldaten, die abgedrückt hatten, könnten absichtlich danebenschießen um niemanden zu töten.
Durch immer härteren Drill und realistischere Ausbildungsmethoden konnte die Hemmung langsam abgebaut werden.
So stieg die Rate der feuernden Soldaten im Koreakrieg auf 55%, und im Vietnamkrieg betrug sie 90%.
Studien der Polizei würden ähnliche Rückgänge bei den Zögernden belegen.
Soldaten und Polizisten schießen im Training nicht mehr auf weit entfernte Zielringe, sondern auf echt aussehende Puppen mit Gesichtern und in Uniform. Das Zielobjekt soll den späteren Feind möglichst genau nachbilden, um später eine ähnlich schnelle Reaktion wie im Training hervorzurufen.
Belohnt wird das Töten im Training dann mit Medaillen, Punkten und Urlaubstagen. Dieses System der Belohnung entstammt praktisch den Lern- und Verhaltenstheorien von Ivan Pavlov.
Auch bei Seminaren zur Selbstverteidigung werden möglichst immer realistischere Situationen simuliert. So wird zum Beispiel einem Übungspartner eine geschälte Orange über dem Auge befestigt, in das die Kampfschüler dann gewalttätig ihren Finger stecken sollen. So sollen sie später in einem echten Kampf keine Skrupel haben, einem Gegner die Augen zu verletzen.
Genauso kann das Eindringen einer Kugel in einen Schädel simuliert werden, indem die Probanden auf ausgehöhlte Kohlköpfe schießen, die mit Ketchup gefüllt sind.
Doch all die immer realistischeren Simulierungen von Kampfsituationen alleine machen aus einem zivilisierten Menschen noch keine Tötungsmaschiene. Immer noch ist der “Feind” ein Mensch wie man selbst, und das Töten ein uns fremder Akt.
An diesem Problem arbeiten die “Lehrer des Tötens” natürlich schon lange.
So werden zunächst einmal Gründe gefunden, die das Töten nicht nur notwendig, sondern auch gesellschaftsfähig machen.
Dem Rekruten wird gesagt, der Feind (den er töten soll) würde unschuldige Menschen töten, “unseren Lebensstil gefährden” oder “einen Krieg gegen die Freiheit führen”. Ihn zu töten wäre ein Dienst am Guten.
In den Ausbildungslagern der Armee wird das Töten begehrenswert gemacht. Die Rekruten rufen blutrünstige Sprüche im Chor wie “Du willst dem Gegner die Augen rausreißen, du willst ihm die Eier zerreißen, du willst ihn in einem Sarg heim zu seiner Mammi schicken”. Diese Worte wurden während einem Ausbildungsseminar zu Landminen geäußert.
Wer schon einmal Filme wie Full Metal Jacket gesehen hat, kennt dieses Aufhetzen unter Soldaten.
Die wichtigste und bei Weitem effektivste Methode, um den Menschen das Töten von anderen Menschen zu erlauben, ist die Schaffung einer physischen und emotionalen Distanz zwischen Soldat und Feind.
Je weiter ein Gegner weg ist, um so eher ist man bereit ihn zu töten. Man muss nicht aus nächster Nähe mit ansehen, wie es ihn in Stücke reißt, wie er Blut kotzt oder der offene Schädel das Gehirn freigibt. Man hört nicht die Schreihe eines mit dem Flammenwerfer in Brand gesteckten Feindes, und man muss nicht mit eigenen Händen das ihm ins Herz gerammte Messer wieder herausziehen.
Diese physische Entfernung ist in Zeiten der cruise missiles, Flugzeugbomben und ferngesteuerten Drohnen kein Problem mehr. Der Finger im Augapfel des Gegners ist zum Finger am Knopf geworden.
Um eine emotionale Distanz zu schaffen, muss der Feind entmenschlicht werden. Die Soldaten dürfen keine Mitmenschen mehr vor sich haben, sondern irgendeine Art von Untermensch.
“Das Militär tut was es kann, um die Menschlichkeit von feindlichen Soldaten zu leugnen. Mit allen Mitteln will es verhindern, dass sich ein versöhnlicher Moment wie jener wiederholt, als am Weihnachtstag 1914 deutsche und britische Soldaten aus ihren Schützengräben kletterten und Fußball spielten und gemeinsam Zigaretten rauchten und Süßigkeiten aßen.
Emotionale Distanz wird oft erreicht, indem man die Gegner wegen ihrer Rasse, ethnischen Herkunft oder Religion als andersartig kategorisiert.”
Hitler versuchte von Anfang an, sein Volk den anderen Menschen als ethnisch einzigartig und überlegen gegenübertreten zu lassen. Wer die Memoiren von ehemaligen weißen Söldnern in Afrika liest, der weiß dass diese die Afrikaner nicht als gleichwertige Menschen betrachten, und so ist auch das Töten von Afrikanern moralisch vertretbar. Ähnliches kann für die amerikanischen Soldaten beim Abschlachten von Vietnamesen gelten.
Es ist trotz unserer angeblichen Zivilisation nicht zu übersehen, dass das gleiche Schema der emotionalen Distanzierung vom Feind und der Versuch einer Rechtfertigung für das Töten auch heute noch eine zentrale Rolle spielt.
Den amerikanischen Soldaten im Irak wird gesagt, es gäbe einen guten Grund dafür, dass sie Iraker töten. Nicht von ungefähr kommt es, dass 90% der US-Soldaten im Irak noch 2006 glaubten, sie wären in dem Land “aus Rache für Saddams Rolle bei 9/11″.
Erwiesenermaßen Unsinn, aber so fühlen sich die Soldaten gut während sie Iraker töten. Sie rächen ja nur ihre getöteten Brüder und Schwestern in New York.
Auch die emotionale Distanz, eine Entmenschlichung des irakischen Feindes wird betrieben.
In seiner Biographie schreibt der erfolgreiche Scharfschütze Jack Coughlin:
Steven Green, der gerade wegen der Vergewaltigung eines 14-jährigen irakischen Mädchends und dem Töten dessen Familie angeklagt ist, schilderte seine Erfahrungen im Irak schon im Februar dem Reporter des Armeeblattes “Stars & Stripes” Andrew Tilghman; es geht um das Töten von irakischen Zivilisten:
Der Gegner muss in den Augen der Soldaten nichts weiter sein als eine Ameise, die man ruhig zertreten kann. Die emotionale Distanz ist ausgebaut, und das Töten fällt leichter.
Wenn man sich so anhört, wie diese US-Soldaten reden, frage ich mich ernsthaft, wie deutsche Soldaten über die Afghanen reden. Oder wie sie eventuell über die Libanesen reden, sollten sie erstmal dort sein. Ob die genauso menschenverachtend sind ? Ist der Feind in den Augen des Bundeswehrsoldaten von nebenan auch nur eine Ameise ?
Die Gewissheit, dass für bewaffnete Konflikte die emotionale Distanz zum Gegner da sein muss, die Entmenschlichung des selben, lässt alle Konflikte in einem neuen Licht erscheinen.
Wie denken die israelischen Soldaten über die libanesischen Flüchtlinge die sie bombardieren ? Was denken sie über die Menschen, die früher die ganze jetzt zerstörte Infrastruktur im Libanon zum Überleben brauchten ? Sind das auch Ameisen ?
Im Angesicht der krassen Indoktrinierung der Soldaten müssen wir unsere Gesellschaftsstruktur überdenken.
Es nutzt überhaupt nichts, dass eine demokratisch gewählte und zivile Führung die Armee in einen “gerechten”, “notwendigen” oder “guten” Krieg schickt, wenn die Armee selbst dann im Kampf eher einem barbarischen Haufen gleicht und im Feind einen Untermenschen sieht.
Die zivile Führung kann noch so oft versichern, ihr Läge an der Verschonung von zivilen Opfern. Wenn für die Soldaten das Töten nichts Besonderes ist und der Feind ein Tier, dann wird es zwangsläufig zu toten Zivilisten kommen.
Wir dürfen unsere Armee nicht von der Gesellschaft abschotten. Es darf sich keine Subkultur bilden, ein geschlossenes System der blutrünstigen Sprüche und mit Propaganda gefütterten Köpfe. Anscheinend ist Amerikas Armee so ein geschlossenes System, dass sie tatsächlich die Mär von der Rache für 9/11 glaubt.
Was ist mit unserer Armee ? Was glauben unsere Soldaten ? Wenn sie im Libanon sind, was glauben sie dann was sie da tun ? Werden sie ein genauso verzerrtes Bild von der Realität haben wie ihre amerikanischen Kollegen im Irak ?
Es scheint dringend nötig, einen stärkeren Austausch zwischen Armee und Gesellschaft zu schaffen. Was tatsächlich in den Kasernen gesprochen wird, die vielleicht fremdenfeindlichen und sicherlich gewalttätigen Sprüche der Ausbilder, all das muss verstärkt ans Licht der Öffentlichkeit gerückt werden und im Militärkodex verboten werden.
Gerade Soldaten sollten besser über politische Realitäten aufgeklärt werden, damit sie nicht die selben Fehler machen wir ihre indoktrinierten Kollegen aus den Vereinigten Staaten.
Die physische Distanz können wir nur wieder überbrücken, indem wir unsere Soldaten wieder mit Schwertern ausrüsten. Mit der emotionalen Distanz haben wir es einfacher, da müssen wir nur die Soldaten in eine tolerante und menschenfreundliche Gesellschaft integrieren.
DaRockwilda
Am Sonntag erschien ein großartiger Artikel von Vicki Haddock im San Francisco Chronicle zum Thema. Für alle des englischen mächtigen eine Pflichtlektüre.
In dem Artikel geht es um die Fähigkeit des Menschen, andere Mitmenschen zu töten.
Dieses Verhalten wird von Natur aus bei den allermeisten Menschen erstmal geblockt. Um die Gesellschaft nicht in eine blutrünstige Anarchie zu verwandeln, haben die meisten Menschen Skrupel davor, einen anderen Menschen zu töten.
Parallel dazu nennt Haddock die Klapperschlange, die zwar Feinde mit einem tödlichen Biss umbringt, aber im Kampf mit Artgenossen nur ein nicht tödliches “wrestling” betreibt.
Dieses Zurückschrecken vor Mord lässt sich auch empirisch belegen. Fragt einfach in eurem Bekanntenkreis, und trotz der hohen Zahl an Mördern in Nachrichten, Film und Fernsehen werdet ihr hören, dass eure Mitmenschen Probleme damit hätten, andere zu töten.
Diese Hemmungen stellen naturgemäß für einige Einrichtungen und Individuen ein großes Problem dar.
Polizeikräfte, Spione und allen voran natürlich das Militär sind grundsätzlich auf Mitglieder angewiesen, die andere Menschen ohnr Skrupel töten können.
Auch für Opfern von Gewalttaten wäre es unter Umständen von Vorteil, diese Hemmungen ablegen zu können. Ein gut platzierter Schuss auf einen Amokläufer könnte andere Leben retten.
Die Mitglieder dieser Einrichtungen zeigten früher trotz eines gewissen Trainings im Kampf dann trotzdem das Verhalten, andere Menschen nicht töten zu wollen.
Während des amerikanischen Bürgerkrieges war die entscheidende Schlacht die Schlacht von Gettysburg. Laut der “Civil War Collector’s Encyclopedia” waren fast 90% der Musketen, die man nach der Schlacht fand, noch geladen. Die Hälfte von ihnen sogar mehrfach.
Dies lässt den Schluss zu, dass die Soldaten damals, die immerhin auf ihre eigenen amerikanischen Brüder und Schwestern schießen sollten, Skrupel hatten und so taten, als würden sie ständig nachladen müssen. Dies wird um so plausibler, wenn man bedenkt dass die Schützen damals 95% der Zeit mit dem aufwändigen Nachladevorgang zu Gange waren.
Ein Historiker der amerikanischen Armee, Brigadegeneral Marshall, kam zu einem interessanten Ergebnis seiner Nachforschungen: Im Zweiten Weltkrieg hätten nur ein Fünftel der amerikanischen Soldaten tatsächlich auf den Feind gefeuert, wenn sie freies Schussfeld hatten.
Der Grund dafür wäre nicht gewesen, dass sie allesamt Feiglinge waren. Sie schossen zwar nicht, aber riskierten für die Rettung verletzter Kameraden im Gefecht dennoch ohne zu zögern ihr Leben. Das Problem war das Töten.
Laut Haddock hatte das FBI früher das selbe Problem. Eine hohe Zahl an Polizisten weigerten sich abzudrücken, selbst wenn andere Leben in Gefahr waren.
Und selbst diejenigen Polizisten und Soldaten, die abgedrückt hatten, könnten absichtlich danebenschießen um niemanden zu töten.
Durch immer härteren Drill und realistischere Ausbildungsmethoden konnte die Hemmung langsam abgebaut werden.
So stieg die Rate der feuernden Soldaten im Koreakrieg auf 55%, und im Vietnamkrieg betrug sie 90%.
Studien der Polizei würden ähnliche Rückgänge bei den Zögernden belegen.
Soldaten und Polizisten schießen im Training nicht mehr auf weit entfernte Zielringe, sondern auf echt aussehende Puppen mit Gesichtern und in Uniform. Das Zielobjekt soll den späteren Feind möglichst genau nachbilden, um später eine ähnlich schnelle Reaktion wie im Training hervorzurufen.
Belohnt wird das Töten im Training dann mit Medaillen, Punkten und Urlaubstagen. Dieses System der Belohnung entstammt praktisch den Lern- und Verhaltenstheorien von Ivan Pavlov.
Auch bei Seminaren zur Selbstverteidigung werden möglichst immer realistischere Situationen simuliert. So wird zum Beispiel einem Übungspartner eine geschälte Orange über dem Auge befestigt, in das die Kampfschüler dann gewalttätig ihren Finger stecken sollen. So sollen sie später in einem echten Kampf keine Skrupel haben, einem Gegner die Augen zu verletzen.
Genauso kann das Eindringen einer Kugel in einen Schädel simuliert werden, indem die Probanden auf ausgehöhlte Kohlköpfe schießen, die mit Ketchup gefüllt sind.
Doch all die immer realistischeren Simulierungen von Kampfsituationen alleine machen aus einem zivilisierten Menschen noch keine Tötungsmaschiene. Immer noch ist der “Feind” ein Mensch wie man selbst, und das Töten ein uns fremder Akt.
An diesem Problem arbeiten die “Lehrer des Tötens” natürlich schon lange.
So werden zunächst einmal Gründe gefunden, die das Töten nicht nur notwendig, sondern auch gesellschaftsfähig machen.
Dem Rekruten wird gesagt, der Feind (den er töten soll) würde unschuldige Menschen töten, “unseren Lebensstil gefährden” oder “einen Krieg gegen die Freiheit führen”. Ihn zu töten wäre ein Dienst am Guten.
In den Ausbildungslagern der Armee wird das Töten begehrenswert gemacht. Die Rekruten rufen blutrünstige Sprüche im Chor wie “Du willst dem Gegner die Augen rausreißen, du willst ihm die Eier zerreißen, du willst ihn in einem Sarg heim zu seiner Mammi schicken”. Diese Worte wurden während einem Ausbildungsseminar zu Landminen geäußert.
Wer schon einmal Filme wie Full Metal Jacket gesehen hat, kennt dieses Aufhetzen unter Soldaten.
Die wichtigste und bei Weitem effektivste Methode, um den Menschen das Töten von anderen Menschen zu erlauben, ist die Schaffung einer physischen und emotionalen Distanz zwischen Soldat und Feind.
Je weiter ein Gegner weg ist, um so eher ist man bereit ihn zu töten. Man muss nicht aus nächster Nähe mit ansehen, wie es ihn in Stücke reißt, wie er Blut kotzt oder der offene Schädel das Gehirn freigibt. Man hört nicht die Schreihe eines mit dem Flammenwerfer in Brand gesteckten Feindes, und man muss nicht mit eigenen Händen das ihm ins Herz gerammte Messer wieder herausziehen.
Diese physische Entfernung ist in Zeiten der cruise missiles, Flugzeugbomben und ferngesteuerten Drohnen kein Problem mehr. Der Finger im Augapfel des Gegners ist zum Finger am Knopf geworden.
Um eine emotionale Distanz zu schaffen, muss der Feind entmenschlicht werden. Die Soldaten dürfen keine Mitmenschen mehr vor sich haben, sondern irgendeine Art von Untermensch.
“Das Militär tut was es kann, um die Menschlichkeit von feindlichen Soldaten zu leugnen. Mit allen Mitteln will es verhindern, dass sich ein versöhnlicher Moment wie jener wiederholt, als am Weihnachtstag 1914 deutsche und britische Soldaten aus ihren Schützengräben kletterten und Fußball spielten und gemeinsam Zigaretten rauchten und Süßigkeiten aßen.
Emotionale Distanz wird oft erreicht, indem man die Gegner wegen ihrer Rasse, ethnischen Herkunft oder Religion als andersartig kategorisiert.”
Hitler versuchte von Anfang an, sein Volk den anderen Menschen als ethnisch einzigartig und überlegen gegenübertreten zu lassen. Wer die Memoiren von ehemaligen weißen Söldnern in Afrika liest, der weiß dass diese die Afrikaner nicht als gleichwertige Menschen betrachten, und so ist auch das Töten von Afrikanern moralisch vertretbar. Ähnliches kann für die amerikanischen Soldaten beim Abschlachten von Vietnamesen gelten.
Es ist trotz unserer angeblichen Zivilisation nicht zu übersehen, dass das gleiche Schema der emotionalen Distanzierung vom Feind und der Versuch einer Rechtfertigung für das Töten auch heute noch eine zentrale Rolle spielt.
Den amerikanischen Soldaten im Irak wird gesagt, es gäbe einen guten Grund dafür, dass sie Iraker töten. Nicht von ungefähr kommt es, dass 90% der US-Soldaten im Irak noch 2006 glaubten, sie wären in dem Land “aus Rache für Saddams Rolle bei 9/11″.
Erwiesenermaßen Unsinn, aber so fühlen sich die Soldaten gut während sie Iraker töten. Sie rächen ja nur ihre getöteten Brüder und Schwestern in New York.
Auch die emotionale Distanz, eine Entmenschlichung des irakischen Feindes wird betrieben.
In seiner Biographie schreibt der erfolgreiche Scharfschütze Jack Coughlin:
“Ich betrachtete die schlecht trainierten und unorganisierten irakischen Soldaten als Hamburger in meinem Fadenkreuz, die mich praktisch darum baten getötetn zu werden, und ich war mehr als begierig darauf, ihnen diesen Wunsch zu erfüllen.”
Steven Green, der gerade wegen der Vergewaltigung eines 14-jährigen irakischen Mädchends und dem Töten dessen Familie angeklagt ist, schilderte seine Erfahrungen im Irak schon im Februar dem Reporter des Armeeblattes “Stars & Stripes” Andrew Tilghman; es geht um das Töten von irakischen Zivilisten:
“Es war nichts besonderes. Hier (im Irak) ist das Töten von Menschen so, als würdest du eine Ameise zertreten. Ich meine, du tötest jemanden, und als nächstes sagst du ‘alles klar, lasst uns ne Pizza holen’. Ich meine, ich dachte dass es eine das Leben verändernde Erfahrung wäre, jemanden zu töten. Und dann tat ich es, und ich dachte nur ‘naja, was solls’.”
Der Gegner muss in den Augen der Soldaten nichts weiter sein als eine Ameise, die man ruhig zertreten kann. Die emotionale Distanz ist ausgebaut, und das Töten fällt leichter.
Wenn man sich so anhört, wie diese US-Soldaten reden, frage ich mich ernsthaft, wie deutsche Soldaten über die Afghanen reden. Oder wie sie eventuell über die Libanesen reden, sollten sie erstmal dort sein. Ob die genauso menschenverachtend sind ? Ist der Feind in den Augen des Bundeswehrsoldaten von nebenan auch nur eine Ameise ?
Die Gewissheit, dass für bewaffnete Konflikte die emotionale Distanz zum Gegner da sein muss, die Entmenschlichung des selben, lässt alle Konflikte in einem neuen Licht erscheinen.
Wie denken die israelischen Soldaten über die libanesischen Flüchtlinge die sie bombardieren ? Was denken sie über die Menschen, die früher die ganze jetzt zerstörte Infrastruktur im Libanon zum Überleben brauchten ? Sind das auch Ameisen ?
Im Angesicht der krassen Indoktrinierung der Soldaten müssen wir unsere Gesellschaftsstruktur überdenken.
Es nutzt überhaupt nichts, dass eine demokratisch gewählte und zivile Führung die Armee in einen “gerechten”, “notwendigen” oder “guten” Krieg schickt, wenn die Armee selbst dann im Kampf eher einem barbarischen Haufen gleicht und im Feind einen Untermenschen sieht.
Die zivile Führung kann noch so oft versichern, ihr Läge an der Verschonung von zivilen Opfern. Wenn für die Soldaten das Töten nichts Besonderes ist und der Feind ein Tier, dann wird es zwangsläufig zu toten Zivilisten kommen.
Wir dürfen unsere Armee nicht von der Gesellschaft abschotten. Es darf sich keine Subkultur bilden, ein geschlossenes System der blutrünstigen Sprüche und mit Propaganda gefütterten Köpfe. Anscheinend ist Amerikas Armee so ein geschlossenes System, dass sie tatsächlich die Mär von der Rache für 9/11 glaubt.
Was ist mit unserer Armee ? Was glauben unsere Soldaten ? Wenn sie im Libanon sind, was glauben sie dann was sie da tun ? Werden sie ein genauso verzerrtes Bild von der Realität haben wie ihre amerikanischen Kollegen im Irak ?
Es scheint dringend nötig, einen stärkeren Austausch zwischen Armee und Gesellschaft zu schaffen. Was tatsächlich in den Kasernen gesprochen wird, die vielleicht fremdenfeindlichen und sicherlich gewalttätigen Sprüche der Ausbilder, all das muss verstärkt ans Licht der Öffentlichkeit gerückt werden und im Militärkodex verboten werden.
Gerade Soldaten sollten besser über politische Realitäten aufgeklärt werden, damit sie nicht die selben Fehler machen wir ihre indoktrinierten Kollegen aus den Vereinigten Staaten.
Die physische Distanz können wir nur wieder überbrücken, indem wir unsere Soldaten wieder mit Schwertern ausrüsten. Mit der emotionalen Distanz haben wir es einfacher, da müssen wir nur die Soldaten in eine tolerante und menschenfreundliche Gesellschaft integrieren.
DaRockwilda
Kommentar von Steve am 16. August um 10:03 Uhr
Hallo RockWilda,
nun, genau das sollte der “Buerger in Uniform” ja leisten, die Ideen sind durchaus vorhanden. Ich glaube auch, in der Bundeswehr sind sie in einem groesseren Maße umgesetzt worden als in der U.S. Army: Zumindest weist darauf hin, dass die Besatzungsgebiete der Bundeswehr heute weit friedlicher daherkommen als die der U.S. Army.
Aber das kann ich leider nicht belegen. Deshalb betrachte ich mal nur die eine Praemisse:
— Ein guter Soldat ist ein potentieller Moerder —
Sprich, jeder Soldat, der einen Pfifferling wert sein soll, muss im Konfliktfall Menschen toeten. In Ghettysburg waren etwa 5% der Soldaten potentielle Moerder; wie du ja schon beschrieben hast, konnten neue Ausbildungsmethoden diesen Anteil hochsetzen.
Die historische Armee begnuegte sich also mit dem in der Bevoelkerung vorhandenen Kontingent an Mordfaehigen, die heutige Armee baut es aus. Ohne dieses Kontingent ist jede Armee handlungsunfaehig, weil keiner einen Schuss abfeuert.
Der Schluss daraus? Bedenke, dass wir ueber eine Organisation reden, deren gesamter _Sinn_ organisiertes Toeten ist. Die Armee, die dazu moralisch nicht in der Lage ist, ist nichts weiter als eine teure Gruppe Pfadfinder.
Willst du die Landesverteidigung auf teuren Pfadfindern aufbauen? Dann kann man es gleich lassen.
Schoenen Gruss, Steve
Kommentar von DaRockwilda am 16. August um 10:26 Uhr
Nein Steve, eine mordfähige Armee ist an sich noch nichts Schlechtes. Wenn aber zur Steigerung der Mordfähigkeit der Feind als Untermensch dargestellt wird, dann ist das ein Problem oder nicht ?
Im Übrigen würde ich auch mal gerne wissen, was zum Beispiel die Polizeieinheiten über die Castor-Demonstranten denken die sie niederknüppeln.
Kommentar von Melanie Gatzke am 16. August um 12:37 Uhr
Kommentare- Soldaten und Armee?
Was hier diskutiert wird ist schon an der Grenze dessen, wie man Soldaten und Bundeswehr darstellen sollte. Es ist sinnlos darüber zu diskutieren, das sind Denkweisen, die für unsere soldaten schon etwas beleidigend sind. Wir habe eine Armee, diese besteht aus Soldaten, - nicht nur aus Maschinen, wir sollten ihnen doch den nötigen Respekt entgegenbringen. Wenn ein Land verteidigt werden soll- muß- wie auch immer , da weiß jeder was dabei passsiert. muß man nun wirklich nicht so breit treten. es ist geschmacklos. Soldaten so direkt als das zu bezeichnen, wie ich es im Kommentar gelesen habe.Darüber großes Forumgespräch zu machen finde ich überflüssig.Bei aller Ablehnung von Kriegen, die soldaten sind Befehlsempfänger,im Ernstall wird eben nun mal geschossen, ein Krieg ist kein Indianerspiel.Sicher gibt es auschweifende Fälle, das ist dann was anderes.Das ist aber nicht “Die Armee-Oder “die Soldaten”. Wir können einfach nicht unsere Soldaten im Verteidigungsfall als Mörder bezeichnen. Versetzen sie sich mal in die Lage der Kinder von Soldaten. Wenn dann andere Kinder sagen:”Dein Vater ist ein Mörder”!Also bitte einen etwas gemäßigteren Ton dazu.
Kommentar von Steve am 16. August um 13:55 Uhr
Hallo RockWilda,
Nein Steve, eine mordfähige Armee ist an sich noch nichts Schlechtes.
Ist sie nicht? Eine Armee ist eine Gruppe von Menschen, und ein mordfaehiger Mensch ist erstmal schlecht. Notwehr oder nicht, wer ohne groessere psychische Probleme einen Menschen umlegen kann, hat ein Problem.
Wenn aber zur Steigerung der Mordfähigkeit der Feind als Untermensch dargestellt wird, dann ist das ein Problem oder nicht ?
Wo ist der Unterschied zu allen anderen Methoden? Mit dem Minderwertigkeitsansatz hast du wenigstens noch eine Chance, dass ein Soldat zu sowas wie einem normalen, zivilen Leben finden kann.
Hallo Melanie,
Wir können einfach nicht unsere Soldaten im Verteidigungsfall als Mörder bezeichnen.
Wir koennen nicht nur, wir muessen. Ich glaube, wir verstehen uns hier unter dem Eindruck so mancher polemisch gefuehrter oeffentlicher Diskussion falsch.
Das Ansehen, dass einem Soldaten (und ganz besonders dem Infanteristen) zukommen sollte, leitet sich _eben_daraus_ her, dass er sich fuer das, woran die meisten von uns glauben, zum Moerder macht. Er opfert seine psychische Integritaet, vielleicht das groesste Opfer von allen. Der Begriff des Moerders erinnert an dieses Opfer.
Schoenen Gruss, Steve
Kommentar von DaRockwilda am 16. August um 16:00 Uhr
@Steve:
“Wo ist der Unterschied zu allen anderen Methoden?”
Na die Methodik der reinen Plausibilisierung seines Tötungsauftrags ist noch okay, solange der Grund eben nicht “Saddam & 9/11″ heisst.
Aber willst du sagen, dass es in unserem Land okay wäre, wenn den Soldaten beigebracht wird, ihre Gegner seien minderwertiger als Menschen ? Ameisen ?
Kommentar von Steve am 16. August um 16:29 Uhr
Hi RockWilda,
wenn die Alternative ist, ihnen saemtliche moralische Verantwortung aus dem Leib zu pruegeln - ja.
Der rote Faden hier ist, dass eine Armee immer Schreckliches anrichtet, vor allem mit den Soldaten. Wenn du eine Moral findest, die es dir ermoeglicht, den da drueben umzunieten, obwohl du ihn rein als Mitmenschen siehst, und bei deren Formulierung den Halbsatz “nur Befehle befolgt” nicht benoetigst, dann nur raus damit. Ansonsten ist das geistige Abwerten des Gegners eine der nebenwirkungsfreiesten psychischen Abwehrstrategien. Auch wenn wir hier ueber Teufel und Beelzebub reden.
Du erwaehnst eine reine Plausibilisierung. Wie kann ich mir das vorstellen? Was denkt der Mensch?
“Ist ja nur Notwehr.” (Notwehr hat mir im konkreten Fall _kein_Stueck_ geholfen. Man weiss eben nicht, ob es wirklich nur Notwehr war, egal, was der Richter sagt.)
“Ich befolge nur Befehle.”
“Ich habe ja nur den Knopf gedrueckt.”
“Es ist wegen der geostrategischen Interessen meiner Regierung notwendig, diesen Menschen zu erschiessen.”
Tut mir leid, doch unter allen diesen Saetzen ist mir:
“Das Leben meines Feindes ist weniger wert als meine Sicherheit.”
noch am liebsten, weil es sich eben _nur_ auf die Feinde bezieht.
In unserem Land gibt es nur eines, was OK ist, und das ist, die Bundeswehr explizit zur Katastrophen- und Friedensschutztruppe zu machen und den Kampfeinsatz nur nachgeordnet zu ueben, eben nicht auf menschliche Zielscheiben zu schiessen, eben nicht diese Hemmschwelle abzubauen. De facto eine Abschaffung der effizienten Armee, aber wir koennen es uns ja leisten. Oder, wenn man das nicht will, zynisch das Schicksal der Soldaten akzeptieren und sie zu Toetungsmaschinen umerziehen. Alles andere sind Haarspaltereien. Ein bisschen brechen geht nicht.
Gruss, Steve
Kommentar von DaRockwilda am 16. August um 16:48 Uhr
@Steve:
Erstmal: Ich denke, dass wir hier in Deutschland gerade mit dem Prinzip “Bürger in Uniform” weiter sind als sowieso die USA. Also schwarz malen will ich überhaupt nichts, und auch nicht pauschalisieren. Ich will mich nur immer nach oben orientieren und den bereits angefangenen Weg konsequent weiter gehen und verbessern.
“wenn die Alternative ist, ihnen saemtliche moralische Verantwortung aus dem Leib zu pruegeln - ja”
Huch wieso das ? Die Alternative wäre doch, ihm sämtliche moralische Verantwortung einzutrichtern ! Also genaue Überprüfung des Einsatzbefehls mit dem eigenen Gewissen und ob er (völker)rechtens ist, dann konkrete Überprüfung des Schussbefehls, ob er in Ordnung ist, und dann die Bemühung darum, im Gefecht den Feind möglichst unschädlich zu machen ohne ihn zu töten.
Wenn er das alles überprüft hat, sollte er in der Lage sein zu töten. Und dafür reicht es, zu wissen dass diese Tötung vertretbar ist.
Dadurch stellt er zwar sein Leben vor das des Feindes, aber das ist ja auch gar kein Problem. Hauptsache er spricht dem Feind nicht die Eigenschaft eines Menschen ab.
Ich will also etwas zwischen Ladehemmung und “Ameisen”.
Deine Vorschläge zwecks Aufgaben der Armee teile ich übrigens voll und ganz.
Kommentar von Steve am 18. August um 17:27 Uhr
Hallo RockWilda,
ich stimme Dir auch erstmal zu, dass die Bundeswehr erheblich weiter steht als die U.S. Army.
Ich glaube, dass die Überprüfungen, die mich oder jeden moralisch verantwortlichen Menschen, den ich mir vorstellen können, in Kriegssituationen nicht machbar sind. Ich erinnere mich recht gut an Paintballspiele, die dank der Infanterieausbildung und Paintballunerfahrung der meisten Kontrahenten Infanteriegefechtscharakter annahmen. Wer vor dem Schießen denkt, der hat verloren, und wer nicht schießt, um _sofort_ auszuschalten, auch.
Vielleicht gibt es Menschen, die sich vorher etwas überlegen können, das sie dann rechtfertigt. Das wäre dann die Gruppe, die Du willst. Ich kann mir ihre Existenz nicht vorstellen, und deshalb kann ich mir nur moralisch gebrochene Veteranen vorstellen.
Schönen Gruß, Steve
Kommentar von Max Headroom am 22. August um 13:53 Uhr
Mahlzeit.
Nein, der Auftrag einer Armee, zumindest der unsrigen, ist nicht das Morden.
Eine Armee ist nötig um Interessen durchzusetzen. Welche das auch immer gerade sein mögen. Um mit Clausewitz zu sprechen, ist der Krieg bekanntermaßen die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.
Mord, und unsere Gesellschaft und unser Gesetz nuanciert da sehr fein, hat ganz bestimmte Charakteristika. Diese sind während regulären Kampfhandlungen eindeutig nicht gegeben. Es hat einen Grund, warum es Mord gibt, Totschlag, fahrlässige Tötung, etc. . Es spielt natürlich auch die Selbstverteidigung mit rein.
Es gibt also Situationen, in denen “Brut Force” angesagt ist. Und für diese Situationen wünsche ich mir, das es später heißt, das unsere Soldaten ohne eigene Verluste die Situation bereinigt haben. Die Vorschrift sagt dazu lapidar: “Wer schneller schießt und besser trifft, gewinnt den Feuerkampf”. Subjektiv betrachtet zynisch, objektiv betrachtet rettet es das Leben derjenigen, die IHREN Kopf für UNSERE Interessen hinhalten.
Es ist so furchtbar einfach, vom Schreibtisch aus die Welt zu beurteilen. Es ist so unsäglich schwer für seine Überzeugung und *PathosModeOn* sein Vaterland *PathisModeOff* im Feuer zu liegen.
“Wenn aber zur Steigerung der Mordfähigkeit der Feind als Untermensch dargestellt wird, dann ist das ein Problem oder nicht ?”
Streiche Mordfähigkeit, setze Durchsetzungsfähigkeit. Es ist ein Märchen, das jede Kampfhandlung immer mit der Vernichtung des Gegners endet, oder enden muss.
Ja, dann ist das ein Problem, aber nicht in dem Moment der Kampfhandlung. Im Gegenteil. Dort wird der Soldat funktionieren. Es wird ein Problem, wenn er wieder in die Gesellschaft kommt.
Manche werden mit dem Druck umgehen können, weil das gegenüber in seinen Augen nichts anderes verdient hat. Oder er sich genau dieses suggeriert um seine mentale Hygiene zu behalten. Diese Denke wird ihm nicht anerzogen. Es ist Ausdruck seiner Prägung und Erziehung in den mindestens 18 Jahren VOR der Bundeswehr.
Manche werden sich moralisch neu entdecken müssen und manche (Viele?) werden daran zerbrechen. Man möge sich bitte mal die Zahlen zu den Heimkehrern mit Post-Traumatischem Stress-Syndrom (PTSD)anschauen.
Dieses Problem lässt sich übrigens bestens auf die Polizei übertragen. Z.B der Präzisionschütze, der gerade die Freigabe für den finalen Rettungsschuß bekommen hat. Ist er Mörder? Und ist er es auch, wenn die gerettete Geisel deine Mutter ist?
Glück ab
Max
Kommentar von DaRockwilda am 22. August um 14:11 Uhr
@Max:
Zu dem Präzisionsschützen. Ich würde sagen ob Mörder oder Töter oder wie man es auch nennt, solange er das Zielobjekt nicht anders stoppen konnte und er den Befehl bekommen hat, wäre er für mich moralisch nicht auf der falschen Seite.
Hab ich das richtig verstanden, dass also auch du dafür bist, dass das Ziel erstmal andersweitig auszuschalten ist soweit es geht ?
Ansonsten will ich noch was anbringen, was vielleicht im Artikel nicht so richtig deutlich wurde.
Die Degradierung der “Anderen” bezieht sich gerade in den zitierten Fällen aus dem Irak nicht nur auf die feindlichen Kämpfer ! Sie bezieht sich auf alles Leben dort was nicht der eigenen Armee angehört !
Es geht also nicht blos darum, wer zuerst schießt in einer Kampfhandlung, sondern wie die Soldaten generell ihre Umgebung in einem fremden Land wahrnehmen, also auch die Zivilisten. Und wenn dort alles was kreucht und fleucht “Ameisen” sind, dann sind Kriegsverbrechen vorprogrammiert.
Kommentar von Max Headroom am 22. August um 15:18 Uhr
Diese Frage zu beantworten ist müßig, für alle, die nie in Kampfhandlungen verstrickt waren, die nie um ihr Leben kämpfen mussten. Das bloße Gerede darüber ist nur akademischer Schnickschnack.
Ziele anderweitig auszuschalten heißt das Politik und Diplomatie walten müssen.
Haben diese Mittel versagt, muss alles unternommen werden um sich durchzusetzen. Vom bloßen “Show of Force” bis zum Werfen des Gegners. Beim letzteren hat die “Relativität der Mittel”, wie die Polizei sie kennt, keinen Platz. Ziel kann nur sein entschlossen und hart zu schlagen.
Und falls einer Fragt, ja, ich weiß wie sich das liest. Aber alles andere wäre Augenwischrei.
Der polizeiliche Präzisionsschütze, der “Mörder/Töter” (beide Begriffe sind mir höchst suspekt) ist nichts anderes als ein Erfüllungsgehilfe gesellschaftlicher und staatlicher Interessen. Der Staat hat von der Gesellschaft den Auftrag dazu erhalten. Die Tötung verfolgt keinen Selbstzweck sondern dient mittelbar und unmittelbar der Rettung schützenswertem Lebens.
Horrido
Max
Kommentar von DaRockwilda am 22. August um 17:02 Uhr
@Max:
Ich sage ja, mit dem Präzisionsschützen habe ich unter den gegebenen Umständen kein Problem.
Aber die Gesellschaft kann ihm auch die Aufgabe geben, erst dann auf den Kopf zu zielen wenn klar ist das es nichts bringt, ihm ins Knie zu schießen oder die Hand wegzuballern in der das Ziel eine Waffe hält.
“Ziele anderweitig auszuschalten heißt das Politik und Diplomatie walten müssen”
Das stimmt eben nicht, das Ziel mit einem Knieschuss auszuschalten beinhaltet Schüsse, also keine Diplomatie.
Wir können es uns nunmal leisten, über solche Feinheiten zu reden und wir sollten es auch tun.
Kommentar von Max Headroom am 22. August um 17:20 Uhr
Nicht vermischen und genauer lesen.
“Ziele anderweitig auszuschalten heißt das Politik und Diplomatie walten müssen” zählte ich zu militärischen Interventionen.
Unbestritten, das es auch in polizeilichen Lagen Verhandlungen geben kann.
Übrigens, der finale Rettungschuß, heißt finaler Rettungsschuß, weil er ein finaler Rettungsschuß ist. Kein Knie, keine Hand, nur final und lethal.
Der Präzisionsschütze weiß das und trainiert darauf. Womit wir praktischerweise wieder beim “Killerzüchten” sind.
Kommentar von DaRockwilda am 22. August um 17:29 Uhr
Ich will trotzdem darauf hinweisen, dass der finale Rettungsschuss erwiesenermaßen auf alles Lebendige angewendet wird, wenn die Soldaten nur killer genug sind. Das wird man ja wohl umgehen können ohne dass der Präzisionsschütze das Nervenflattern kriegt ?
Kommentar von Max Headroom am 22. August um 17:49 Uhr
Sehen Sie es mir bitte nach, dass ich Ihrem Beitrag nicht ganz folgen kann.
Der “finale Rettungsschuß” ist eine Begrifflichkeit, der einzig und allein auf polizeilichen Lagen angewendet wird. Das Wort final (lat. finis=Ende) bringt dabei zum Ausdruck, das es mit dem Tod des Täters endet. Anderweitig wäre der Rettungsschuß nicht final und es wäre ebenso fraglich, ob der Schuß eine Rettung brächte.
Mehr kann ich Ihrem Beitrag leider nicht entnehmen.
Kommentar von DaRockwilda am 22. August um 18:27 Uhr
Gut dann ohne missverständliche Anspielungen.
Das ganze Hauptproblem des Themas besteht darin, dass die Soldaten (wie bspw. in Vietnam und Irak) zur Erhöhung ihrer Tötungsbereitschaft nicht nur feindliche Soldaten “entwerten”, sondern auch Zivilisten in den jeweiligen Ländern. Und das muss ja wohl anders laufen ?!
Kommentar von Max Headroom am 22. August um 19:01 Uhr
Das sollte anders laufen, aber das wird es nicht.
Wir sprechen hier von Menschen, nicht von Maschinen. Dummerweise verlangen wir aber das sie wie Maschinen funktionieren und wie Menschen fühlen und denken sollen.
In meinen Augen ist eine derartige Degradierung seines Gegenübers hauptsächlich einem Selbstschutzmechanismus geschuldet um reaktionsschnell und emotionslos agieren/reagieren und dabei nachts noch schlafen zu können.
Ein pauschales Urteil, es wird Ausreisser in jede Richtung geben.
Interessanterweise habe ich ähnliche Geschichten auch von Feuerwehrleuten gehört, die menschliche Körper in jedem erdenklichen Maß der Zerstörung ertragen müssen. Dito hörte ich es von Medizinstudenten, die langsam an das Thema Pathologie/Anatomie herangeführt werden.
Der Mensch (oder was davon übrig ist), auch wenn hier nicht von einem lebenden sprechen, wird abstrahiert und karrikiert um die Situation umgänglicher zu machen.
Kommentar von DaRockwilda am 22. August um 19:13 Uhr
Du willst also sagen, es sei unmöglich, den Soldaten den Unterschied zwischen feindlichen Kämpfern und Zivilisten zu erklären und einzutrichtern ?
Du willst also sagen dass zwangsweise jeder Kampfeinsatz in Kriegsverbrechen resultiert ?
Kommentar von Max Headroom am 22. August um 19:21 Uhr
Nein, das will ich nicht sagen und das habe ich nicht gesagt.
Ich habe mit meinen Bescheidenen Mitteln versucht zu erklären, wie es zu diesem Verhalten kommen kann.
Desweiteren ist es völlig unerheblich wie ich mein Gegenüber, Komabattanten und Zivilisten, sehe und achte und tituliere, solange ich mich an die Genver Konventionen, die Haager Landkriegsordnung, Gesetze und Dienstvorschriften halte.
Da sehe ich das “Kriegsverbrechen” nicht?
Kommentar von Steve am 22. August um 19:29 Uhr
Hallo zusammen,
ich muss doch mal kurz was zur Argumentation sagen:
Aus “Das sind alles Ameisen” folgt noch lange nicht, dass Kriegsverbrechen stattfinden, da muss ich Max zustimmen. Du musst dem Soldaten nur eintrichtern, dass er diese Ameisen nicht zertreten oder quälen darf, und kommst an Kriegsverbrechen weitestgehend vorbei.
Woran du nicht vorbeikommst, ist, dass die Soldaten hinterher psychisch hin sind.
Ich halte es immer noch für weise, die Bundeswehr einfach im Rahmen der NATO zur Besatzungsarmee zu trainieren. Besatzen wird auch schliesslich immer wichtiger, erobern immer leichter, und einen Besatzer muss man, ja, darf man nicht so kaputt machen wie einen Kämpfer.
Schönen Gruß, Steve
Kommentar von Max Headroom am 23. August um 14:01 Uhr
Ne, Steve. Da liegen Sie aber etwas daneben.
Auch wenn die Bundeswehr unter Umständen Wiederaufbauarbeit im Rahmen von CIMIC leistet oder quasipolizeiliche Aufgaben ausführt und auch trainiert, ich nenne hier mal “Riot Control”, wird einsatznah und realistisch ausgebildet.
Der BW-Soldat erhält primär seine Ausbildung um lethal wirken zu können.
Das Stichwort heißt auch nicht “Besatzungsarmee”, sondern Interventionsarmee.
“train hard, fight easy”.
Kommentar von Steve am 23. August um 17:37 Uhr
Hallo Herr Headroom,
Der BW-Soldat erhält primär seine Ausbildung um lethal wirken zu können.
Das Stichwort heißt auch nicht “Besatzungsarmee”, sondern Interventionsarmee.
Ich bitte erstmal darum, die Euphemismen wegzulassen, die Kinder hören nicht zu. Es ist “tödlich” und “Kanonenbootpolitik” statt “lethal” und “Intervention”.
Und das mag so sein, aber es liegt nicht im Interesse des deutschen Staatsvolkes. Der Preis, die eigenen Staatsbürger zu moralischen Wracks zu machen, steht einer ziemlich geringen Belohnung gegenüber. Deshalb ist die Idee, weiter die die Drecksarbeit machen zu lassen, die es eh nicht lassen können, und die eigene Armee eben _nicht_ als Interventionsarmee zu trainieren, um im Krisenfall wohlfundiert den Schwanz einziehen zu können und nach dem Töten dann die wichtige Arbeit, das Besatzen, besser erledigen zu können.
Die Existenz und die Grenzen des deutschen Staates sind ja auch schließlich so weit anerkannt, dass eine stehende Armee zu Verteidigungszwecken sinnbefreit ist. Mir ist schon klar, dass es nicht möglich ist, den Bund morgen aufzulösen, und deshalb auch Ersatzziele gesucht werden, aber “Interventionsarmee” muss genauso wenig sein wie “Antiterrorarmee”.
MfG, Steve
Kommentar von DaLaima am 4. September um 12:03 Uhr
Richtig, meiner meinung nach brauch heutzutage kein europaeisches land mehr eine armee, genausowenig wie die meisten laender.
Max Headroom hat geschrieben: … “objektiv betrachtet rettet es das Leben derjenigen, die IHREN Kopf für UNSERE Interessen hinhalten.” sind das wirklich unsere interessen oder nur die interessen unserer regierung?
Kommentar von Max Headroom am 4. September um 17:19 Uhr
Wenn nur die “meisten” Länder keine Armee brauchen, wer wären die Ausnahmen?
Sehen Sie es mir bitte nach, wenn ich Ihre Sichtweise träumerisches Gutmenschentum nenne. Sicherlich wäre das ein Schritt zu einer perfekten und friedlichen Welt, aber wer macht den ersten? Erzählen sie es bitte mal den Amerikanern, den Russen oder den Chinesen. Den vielen afrikanischen Staaten. Nord- und Südkorea. Auch Griechenland und die Türkei sind hervorragende Kandidaten dafür. Und nehmen Sie bitte eine Kamera mit, ich möchte sehen, wie die sich vor Lachen auf dem Boden wälzen.
Und machen Sie sich mal schlau, wer denn “unsere Regierung” ist, und wie sie dazu wurde. Einerlei, ob gerade SIE sie gewählt haben.
Beste Grüße
Max
Kommentar von Steve am 5. September um 00:18 Uhr
Hallo,
Wenn nur die “meisten” Länder keine Armee brauchen, wer wären die Ausnahmen?
Die, die ein militärisches Problem zu lösen haben?
Sehen Sie es mir bitte nach, wenn ich Ihre Sichtweise träumerisches Gutmenschentum nenne.
Im Falle Deutschlands nenne ich das Realismus.
Probleme Afrikas hin, Weltmachtallüren her. Keine Armee zur Hand zu haben, würde Deutschlands Sicherheit gar noch erhöhen, weil niemand mal schnell auf die Idee käme, Weltmachtallüren zu entwickeln.
Und machen Sie sich mal schlau, wer denn “unsere Regierung” ist, und wie sie dazu wurde. Einerlei, ob gerade SIE sie gewählt haben.
Unsere Regierung ist Unsere Regierung, weil die Menschen im Durchschnitt meinten, von den zur Verfügung stehenden Kandidaten sei das wohl der Beste. Fehler des Wahlsystems lasse ich jetzt mal außer acht. Das heißt noch lange nicht, dass diese Regierung nun auch unsere Interessen verfolgt, sonst wäre die Gesundheitsreform nicht durchgepeitscht worden, während niemand aufpasste.
Schönen Gruß, Steve
Kommentar von Max Headroom am 5. September um 12:54 Uhr
Lieber Steve,
wenn Sie der Meinung sind, das unser System absolut unzulänglich ist, ändern Sie es. Wenn Sie jetzt entgegnen, dass das wegen der Systemimmanenz nicht möglich ist, greift der Einwurf der Weltmachtallüren nicht, weil sie niemand durchsetzen kann. Mal abgesehen von der dafür nicht vorhandenen militärischen Potenz unserer Armee.
Wenn wir uns nicht um unsere Interessen kümmern, wer sollte es dann tun? Die Zeiten, in denen wir uns mit Hinweis auf unsere unsägliche Vergangenheit zurücklehnen konnten um “die anderen” die Drecksarbeit machen zu lassen sind vorbei.
Beste Grüße
Max