Die Krise des Imperialismus
von John WIGHT
Die Besatzung des Irak durch die USA hat dafür gesorgt, dass das Wort „Imperialismus“ nach einer fast fünf Jahrzehnte dauernden Abwesenheit, die bis zum Ende des zweiten Weltkrieges zurückreicht, wieder in der Alltagssprache aufgetaucht ist. Die militärischen Abenteuer der Vereinigten Staaten in der Zeit danach - vor allem in Korea, Vietnam und Zentralamerika - wurden als Verteidigungsmaßnahmen ausgegeben, als Kampf gegen die Ausbreitung des Kommunismus und die von ihm ausgehende Bedrohung in all ihren bösartigen Manifestationen, insbesondere von nationaler Befreiung, Selbstbestimmung und soziale Gerechtigkeit.

Die Wahrheit ist, dass der Imperialismus so konstant und allgegenwärtig geblieben ist wie der Wechsel der Jahreszeiten. Das einzige, das sich geändert hat, ist seine Verpackung, was, um James Connolly zu paraphrasieren, als alter Wein in neuen Flaschen beschrieben werden könnte.
Die herrschende Klasse der USA fand sich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in der Rolle der neuen imperialistischen Herren der Welt wieder. Als solche erkannte sie schnell, dass die vielfältigen Befreiungsbewegungen, die nach dem Krieg in aller Welt ausbrachen und entschlossen waren, das Joch des Kolonialismus abzuschütteln, anstelle der bislang von den europäischen Mächten angewandten nach neuen Kontroll- und Herrschaftsmethoden verlangten.
Als Weltbank und Internationaler Währungsfonds 1944 von einer kleinen Clique von internationalen Finanziers und Bankiers (vor allem Briten und Amerikaner, wobei die Briten mittlerweile ihre neue Rolle als Juniorpartner in der neuen Ordnung der Dinge akzeptierten) in Bretton Woods, New Hampshire gegründet wurden, war es das erklärte Ziel der neuen Institutionen, Europa wieder aufzubauen und die Finanzmärkte nach den Erschütterungen des Zweiten Weltkrieges zu stabilisieren.
Im Rahmen dieser Ziele mussten die neuerdings unabhängigen früheren Kolonien der Dritten Welt, die nach und nach ihre Freiheit gewonnen hatten, wieder unterworfen und unter Kontrolle gebracht werden - da sie die Rohstoffe und menschlichen Reserven besaßen, die für die Expansion des neuen globalen Imperiums erforderlich waren.
Nach den Verwüstungen durch den Kolonialismus, und nach dem harten Befreiungskampf fanden sich vor allem die Nationen des afrikanischen Kontinents mit kaputten und nicht lebensfähigen Ökonomien wieder, die sie der Gnade der Geier in Gestalt der großen internationalen Banken und Finanzinstitutionen auslieferten.
Diese Banken und Institutionen verliehen enorme Summen zu Wucherzinsen, die es der Dritten Welt unmöglich machten, sich gleichzeitig selbst wieder aufzubauen, sich zu entwickeln und die geliehenen Summen zurückzuzahlen. Es kam nur das eine oder das andere in Frage.
In der Mitte der 80er Jahre kam es zur Krise, als die Weltbank und der Internationale Währungsfonds einsprangen, um eine drohende Weltwirtschaftskrise aufgrund der faulen Kredite der Dritten Welt abzuwenden, und die Ausstände der großen Privatbanken wie Barclays, Crédit Lyonnais, Chase Manhattan usw. übernahmen, die vor dem Bankrott standen.
Dies war ein Schachzug, der den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die Weltbank (WB) in eine unanfechtbare Machtposition manövrierte, die sie seitdem niemals wieder aufgegeben haben.
Seit jener Zeit wurden annähernd 70 Länder in aller Welt dazu gezwungen, strukturelle Anpassungsprogramme (SAPs) durchzuführen, die von IWF und WB entworfen und entwickelt werden. Diese SAPs haben zum Ziel, die Wirtschaften der betroffenen Ländern zu restrukturieren, damit die Rückzahlung der Hilfen oder Kredite, die von der durch IWF und WB repräsentierten Ersten Welt gewährt wurden, bestmöglich abzuwickeln.
Um dies zu erreichen, werden den ohnehin schon strapazierten Ökonomien der betroffenen Länder drastische Sparprogramme auferlegt, die nichts anderes bedeuten, als dass dringend benötigte öffentliche Ausgaben für soziale Programme in Bereichen wie Gesundheit, Erziehung, Verkehr, Landwirtschaft und anderen gestrichen werden.
Diese Sparprogramme ebnen den Weg für transnationale Gesellschaften, die stets auf der Suche nach Möglichkeiten sind, Kosten zu reduzieren und Zugang zu billigen Rohstoffquellen zu erhalten, ihre Produktion in diese Länder zu verlagern. Die Menschen, darunter viele Kinder, wandern vom Land zu den Fabriken ab, wo sie gezwungen sind, viele Stunden unter erschreckenden Bedingungen zu Hungerlöhnen zu arbeiten.
Dies dient zweierlei Zielen: Es zerstört die landwirtschaftlich ausgerichteten Ökonomien der Dritten Welt, die jetzt ihre Lebensmittel aus der ersten Welt einführen müssen, und es gewährleistet den Abfluss von Reichtum an die transnationalen Konzerne der ersten Welt und ihre internationalen Geldgeber.
Der Fall Nigerias ist typisch. Heute liegt die Lebenserwartung in diesem an Erdöl reichen, von Entwicklungshilfe abhängigen Land bei 47 Jahren für Männer und bei 52 Jahren für Frauen. Von einer Bevölkerung von 120 Millionen Menschen leben 89 Millionen von weniger als einem Dollar am Tag - trotz der Tatsache, dass sich im Gebiet des Nigerdeltas große Erdöllager befinden. Ein Kredit des IWF von 12 Milliarden Dollar ist zu einer dauerhaft unbezahlten Schuld von 27 Milliarden Dollar angewachsen. Die Menschen in Nigeria sehen nicht einen einzigen Dollar von dem Wohlstand, den ihr Öl produziert, und der unkontrolliert aus dem Land in die Taschen eines Konsortiums von britischen, holländischen und US-amerikanischen Ölfirmen fließt. Für sie bleibt ein Leben, das auf den täglichen Kampf ums Überleben reduziert ist.
Sechs Millionen Kinder unter fünf Jahren sterben jedes Jahr an Hunger oder vermeidbaren Krankheiten.
Dieser jährliche Völkermord an den Kindern der Armen ist das Ergebnis von Vergewaltigung und Diebstahl, den IWF und Weltbank an den Rohstoffen und den Menschen der Dritten Welt im Namen der herrschenden Klassen der ersten Welt begehen.
Es ist Imperialismus unter einem anderen Namen, ein Imperialismus mit Schonbezug, der sich als Hilfe verkleidet, dessen wirkliche Ziele aber von denen des offenen Imperialismus, den wir im Irak als militärische Besatzung beobachten, nicht zu unterscheiden sind.
Beide sind am Werk, den unersättlichen Appetit der kapitalistischen Mächte des freien Marktes zu nähren.
Beide bedeuten Elend und Tod für Millionen Menschen.
Beide stellen ein Übel dar, das dem menschlichen Fortschritt im Wege steht.
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Autor John WIGHT
Originalartikel veröffentlicht am 5. Juli 2007 in CounterPunch
Übersetzt von Hergen Matussik, überprüft von Fausto Giudice
Übernahme mit freundlicher Genehmigung von TLAXCALA, dem Übersetzernetzwerk für sprachliche Vielfalt.

Die Besatzung des Irak durch die USA hat dafür gesorgt, dass das Wort „Imperialismus“ nach einer fast fünf Jahrzehnte dauernden Abwesenheit, die bis zum Ende des zweiten Weltkrieges zurückreicht, wieder in der Alltagssprache aufgetaucht ist. Die militärischen Abenteuer der Vereinigten Staaten in der Zeit danach - vor allem in Korea, Vietnam und Zentralamerika - wurden als Verteidigungsmaßnahmen ausgegeben, als Kampf gegen die Ausbreitung des Kommunismus und die von ihm ausgehende Bedrohung in all ihren bösartigen Manifestationen, insbesondere von nationaler Befreiung, Selbstbestimmung und soziale Gerechtigkeit.

Die Wahrheit ist, dass der Imperialismus so konstant und allgegenwärtig geblieben ist wie der Wechsel der Jahreszeiten. Das einzige, das sich geändert hat, ist seine Verpackung, was, um James Connolly zu paraphrasieren, als alter Wein in neuen Flaschen beschrieben werden könnte.
Die herrschende Klasse der USA fand sich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in der Rolle der neuen imperialistischen Herren der Welt wieder. Als solche erkannte sie schnell, dass die vielfältigen Befreiungsbewegungen, die nach dem Krieg in aller Welt ausbrachen und entschlossen waren, das Joch des Kolonialismus abzuschütteln, anstelle der bislang von den europäischen Mächten angewandten nach neuen Kontroll- und Herrschaftsmethoden verlangten.
Als Weltbank und Internationaler Währungsfonds 1944 von einer kleinen Clique von internationalen Finanziers und Bankiers (vor allem Briten und Amerikaner, wobei die Briten mittlerweile ihre neue Rolle als Juniorpartner in der neuen Ordnung der Dinge akzeptierten) in Bretton Woods, New Hampshire gegründet wurden, war es das erklärte Ziel der neuen Institutionen, Europa wieder aufzubauen und die Finanzmärkte nach den Erschütterungen des Zweiten Weltkrieges zu stabilisieren.
Im Rahmen dieser Ziele mussten die neuerdings unabhängigen früheren Kolonien der Dritten Welt, die nach und nach ihre Freiheit gewonnen hatten, wieder unterworfen und unter Kontrolle gebracht werden - da sie die Rohstoffe und menschlichen Reserven besaßen, die für die Expansion des neuen globalen Imperiums erforderlich waren.
Nach den Verwüstungen durch den Kolonialismus, und nach dem harten Befreiungskampf fanden sich vor allem die Nationen des afrikanischen Kontinents mit kaputten und nicht lebensfähigen Ökonomien wieder, die sie der Gnade der Geier in Gestalt der großen internationalen Banken und Finanzinstitutionen auslieferten.
Diese Banken und Institutionen verliehen enorme Summen zu Wucherzinsen, die es der Dritten Welt unmöglich machten, sich gleichzeitig selbst wieder aufzubauen, sich zu entwickeln und die geliehenen Summen zurückzuzahlen. Es kam nur das eine oder das andere in Frage.
In der Mitte der 80er Jahre kam es zur Krise, als die Weltbank und der Internationale Währungsfonds einsprangen, um eine drohende Weltwirtschaftskrise aufgrund der faulen Kredite der Dritten Welt abzuwenden, und die Ausstände der großen Privatbanken wie Barclays, Crédit Lyonnais, Chase Manhattan usw. übernahmen, die vor dem Bankrott standen.
Dies war ein Schachzug, der den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die Weltbank (WB) in eine unanfechtbare Machtposition manövrierte, die sie seitdem niemals wieder aufgegeben haben.
Seit jener Zeit wurden annähernd 70 Länder in aller Welt dazu gezwungen, strukturelle Anpassungsprogramme (SAPs) durchzuführen, die von IWF und WB entworfen und entwickelt werden. Diese SAPs haben zum Ziel, die Wirtschaften der betroffenen Ländern zu restrukturieren, damit die Rückzahlung der Hilfen oder Kredite, die von der durch IWF und WB repräsentierten Ersten Welt gewährt wurden, bestmöglich abzuwickeln.
Um dies zu erreichen, werden den ohnehin schon strapazierten Ökonomien der betroffenen Länder drastische Sparprogramme auferlegt, die nichts anderes bedeuten, als dass dringend benötigte öffentliche Ausgaben für soziale Programme in Bereichen wie Gesundheit, Erziehung, Verkehr, Landwirtschaft und anderen gestrichen werden.
Diese Sparprogramme ebnen den Weg für transnationale Gesellschaften, die stets auf der Suche nach Möglichkeiten sind, Kosten zu reduzieren und Zugang zu billigen Rohstoffquellen zu erhalten, ihre Produktion in diese Länder zu verlagern. Die Menschen, darunter viele Kinder, wandern vom Land zu den Fabriken ab, wo sie gezwungen sind, viele Stunden unter erschreckenden Bedingungen zu Hungerlöhnen zu arbeiten.
Dies dient zweierlei Zielen: Es zerstört die landwirtschaftlich ausgerichteten Ökonomien der Dritten Welt, die jetzt ihre Lebensmittel aus der ersten Welt einführen müssen, und es gewährleistet den Abfluss von Reichtum an die transnationalen Konzerne der ersten Welt und ihre internationalen Geldgeber.
Der Fall Nigerias ist typisch. Heute liegt die Lebenserwartung in diesem an Erdöl reichen, von Entwicklungshilfe abhängigen Land bei 47 Jahren für Männer und bei 52 Jahren für Frauen. Von einer Bevölkerung von 120 Millionen Menschen leben 89 Millionen von weniger als einem Dollar am Tag - trotz der Tatsache, dass sich im Gebiet des Nigerdeltas große Erdöllager befinden. Ein Kredit des IWF von 12 Milliarden Dollar ist zu einer dauerhaft unbezahlten Schuld von 27 Milliarden Dollar angewachsen. Die Menschen in Nigeria sehen nicht einen einzigen Dollar von dem Wohlstand, den ihr Öl produziert, und der unkontrolliert aus dem Land in die Taschen eines Konsortiums von britischen, holländischen und US-amerikanischen Ölfirmen fließt. Für sie bleibt ein Leben, das auf den täglichen Kampf ums Überleben reduziert ist.
Sechs Millionen Kinder unter fünf Jahren sterben jedes Jahr an Hunger oder vermeidbaren Krankheiten.
Dieser jährliche Völkermord an den Kindern der Armen ist das Ergebnis von Vergewaltigung und Diebstahl, den IWF und Weltbank an den Rohstoffen und den Menschen der Dritten Welt im Namen der herrschenden Klassen der ersten Welt begehen.
Es ist Imperialismus unter einem anderen Namen, ein Imperialismus mit Schonbezug, der sich als Hilfe verkleidet, dessen wirkliche Ziele aber von denen des offenen Imperialismus, den wir im Irak als militärische Besatzung beobachten, nicht zu unterscheiden sind.
Beide sind am Werk, den unersättlichen Appetit der kapitalistischen Mächte des freien Marktes zu nähren.
Beide bedeuten Elend und Tod für Millionen Menschen.
Beide stellen ein Übel dar, das dem menschlichen Fortschritt im Wege steht.
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Autor John WIGHT
Originalartikel veröffentlicht am 5. Juli 2007 in CounterPunch
Übersetzt von Hergen Matussik, überprüft von Fausto Giudice
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Kommentar von Franz-Josef Hanke am 4. September um 10:24 Uhr
Bei der ATTAC-Sommerakdemie in marburg vor einigen Jahren habe ich einen sehr eindrucksvollen Vortrag zur Ausplünderung Afrikas von Prof. Dr. Jean Ziegler gehört. Als Sonderbeauftragter der Vereinten Nationen für das Recht auf Nahrung bereist er regelmäßig die ärmsten Länder dort. Seine Zusammenfassung ist erschreckend und dabei sehr plastisch.
Das Transportwesen wurde privatisiert. Auf Druck der ausländischen Kreditgeber natürlich!
Ergebnis: Abgelegene Dörfer werden nur noch einmal die Woche oder noch seltener angefahren. Die Leute dort bekommen weder warenlieferungen von auswärts, noch können sie ihre Erzeugnisse einfach wegschicken, was früher möglich war.
Das Veterinärwesen wurde privatisiert. Entsprechende Zeugnisse haben sich dramatisch verteuert. Solche Zertifikate benötigen die Bauern aber, um ihre Ziegen zu verkaufen. Jetz wirft die Ziege nach Zahlung der Kosten des Zertifikats kaum noch einen Gewinn ab. Jedenfalls sind es nur Cent-Beträge, die den Aufwand der Aufzucht nicht mehr decken.
Jean Ziegler hat eine Menge solcher Beispiele parat. Sein Vortrag in Marburg war einer der eindrucksvollsen Vorträge, die ich je gehört habe.
fjh
Kommentar von Gen. K. Ozz am 4. September um 11:06 Uhr
@fjh
weisst du, ob der text irgendwo abgedruckt ist?
Kommentar von arm am 4. September um 12:39 Uhr
Offen ist eigentlich nur die Frage, was geschehen muss, damit die Wähler gegen einen Ausbeuterstaat stimmen? Geschieht dies erst dann, wenn die materialistischen Nachteile spürbar mehr wiegen als die Vorteile oder geht das bis zum Ende der Zeit so weiter?
Kommentar von LuckyLuke am 4. September um 18:32 Uhr
Hallo Gen. K. Ozz, das was Franz Josef schreibt kannst du auch als Film anschauen. In Bildern ist das Elend was fabriziert wird noch viel erschreckender. Der Film heisst we “feed the world”, und war vor einigen Jahren auch in deutschen Kinos zu sehen.
Kommentar von LuckyLuke am 4. September um 18:33 Uhr
Als Buch kann man das nachlesen, “Die neuen Herrscher der Welt” von Jean Ziegler
Kommentar von zoniman @ "arm" am 5. September um 00:56 Uhr
@ arm: Die Antwort auf deine Frage hast du dir schon selbst gegeben!
Zunächst: Nicht der Staat beutet aus, sondern das Privateigentum an Produktionsmitteln. Der Staat ist nur das politische Instrument der herrschenden und besitzenden Klassen um ihre Herrschaft und ihren Besitz gegenüber den beherrscherten und besitzlosen Klassen auszudrücken und zu manifestieren. Deswegen antwortete der brasilianische Präsident Lula auf eine Frage von Jean Ziegler nach mangelnder Umsetzung seines Wahlprogrammes: Die Menschen wissen nicht, dass wir zwar an der Regierung sind, aber wir nicht die Macht haben!
Dann: Nichts geht bis zum Ende der Zeit! Alles ist Bewegung und Veränderung! Auch der Kapitalismus ist nur eine vorübergehende Epoche, ganz so, wie Sklaverei und Feudalismus davor. Aber die Vorstellung, mit dem status quo sei der Gipfel aller menschlichen Entwicklung erreicht, liegt allen herrschenden Klassen gleichermaßen im Blut.
Du möchtest wissen, was geschehen muss? Na der Kapitalismus selbst! Karl Marx Antwort ist kurz und schlagend: Die freie Entwicklung der Konkurrenz ist die einzige rationale Antwort auf die diese Konkurrenz verhimmelnden bürgerlichen Ökonomen und die diese Konkurrenz verteufelnden Sozialisten!
Man könnte mich einen Kommunisten nennen, aber keinen Utopuisten. Ich weiß sehr wohl, dass das Proletariat der westlichen Industrienationen, bei seiner halben Stellung zwischen besitzender und besitzloser Klasse, noch zu keiner eigenständigen Entwicklung kommen kann. Ganz wie das antike römische Proletariat. Dass also jede Forderung an dieses Proletariat nach revolutionärem und kommunistischen Bewußtsein nichts als bloße Utopie ist. Und eben dieses halbe und unterentwickelte Bewußtsein, welches gerade in deinem Beitrag zum Ausdruck kommt, gerade in dieser halben Stellung begründet liegt. Aber kein Utopist sein heißt eben auch Einsicht in die Tatsache zu haben, dass das Proletariat der westlichen Industrienationen diese seine halbe Stellung nicht lange wird behalten können. “Das Privateigentum treibt allerdings sich selbst in seiner nationalökonomischen Bewegung zu seiner eignen Auflösung fort, aber nur durch eine von ihm unabhängige, bewußtlose, wider seinen Willen stattfindende, durch die Natur der Sache bedingte Entwicklung, nur indem es das Proletariat als Proletariat erzeugt, das seines geistigen und physischen Elends bewußte Elend, die ihrer Entmenschung bewußte und darum sich selbst aufhebende Entmenschung. Das Proletariat vollzieht das Urteil, welches das Privateigentum durch die Erzeugung des Proletariats über sich selbst verhängt, wie es das Urteil vollzieht, welches die Lohnarbeit über sich selbst verhängt, indem sie den fremden, Reichtum und das eigne Elend erzeugt. Wenn das Proletariat siegt, so ist es dadurch keineswegs zur absoluten Seite der Gesellschaft geworden, denn es siegt nur, indem es sich selbst und sein Gegenteil aufhebt. Alsdann ist ebensowohl das Proletariat wie sein bedingender Gegensatz, das Privateigentum, verschwunden.
Wenn die sozialistischen Schriftsteller dem Proletariat diese weltgeschichtliche Rolle zuschreiben, so geschieht dies keineswegs, wie die Ökonomen zu glauben vorgeben, weil sie die Proletarier für Götter halten. Vielmehr umgekehrt. Weil die Abstraktion von aller Menschlichkeit, selbst von dem Schein der Menschlichkeit, im ausgebildeten Proletariat praktisch vollendet ist, weil in den Lebensbedingungen des Proletariats alle Lebensbedingungen der heutigen Gesellschaft in ihrer unmenschlichsten Spitze zusammengefaßt sind, weil der Mensch in ihm sich selbst verloren, aber zugleich nicht nur das theoretische Bewußtsein dieses Verlustes gewonnen hat, sondern auch unmittelbar durch die nicht mehr abzuweisende, nicht mehr zu beschönigende, absolut gebieterische Not - den praktischen Ausdruck der Notwendigkeit - zur Empörung gegen diese Unmenschlichkeit gezwungen ist, darum kann und muß das Proletariat sich selbst befreien.”
Kommentar von pony_huetchen am 5. September um 06:46 Uhr
@zoniman
na - “deinen Marx” hast du ja inhaliert. Ich sehe das mal als historisches Dokument an. Und so auch als interessanten Beitrag zu der Debatte.
Nur denke bitte (bei weiteren Kommentaren) daran, dass wir keine parteipolitische Reklame oder Propaganda mögen.
Meines Erachtens sind die Marx’schen Ansätze allenfalls noch zur Analyse der Rolle des Kapitals, der Frage nach Besitz an Produktionsmitteln und Boden interessant.
Das Proletariat gibt es nicht mehr, zumindest nicht als “Klasse”.
Wir habe Millionenheere Verelendeter weltweit, aber “devide et impera” hat gewirkt.
Sie verstehen sich nicht als Klasse. Und wir wollen keine Diktatur - auch nicht die der “Arbeiterklasse”. Du kommst ein bisschen zu spät - so ungefähr 100 Jahre.
Finde einen zeitgemäßen Lösungsansatz der Probleme! Darin liegt die Herausforderung des 21. Jhrh.
Kommentar von Peinhart am 5. September um 09:46 Uhr
Nichts für ungut, aber das Wort ‘Diktatur’ bedeutete zu Marxens Zeiten mitnichten das, was es heute bedeutet. Sondern nicht mehr als etwa ‘Herrschaft’ im heutigen Sinne, ‘Diktatur des Proletariats’ also auch nicht mehr, als dass das ‘Proletariat’ die ‘Bourgeoisie’ als ‘herrschende Klasse’ ablöst. Weshalb Marx auch die Demokratie schon deshalb begrüsste, da sie ja die besten Voraussetzungen dazu liefere - sofern eben ‘die Arbeiterklasse’ * sich nur ihrer Lage bewusst werde. Insofern tut man sich mE keinen Gefallen, jemandem der Marx zitiert, automatisch ‘parteipolitische Propaganda’ oder Dogmatismus zu unterstellen.
Natürlich ist es richtig, diesbezüglich immer auf der Hut zu sein, aber bitte nicht gleich so pauschal, zumal begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass Marx den ‘Realsozialismus’ schon vom Ansatz her heftig kritisiert und verworfen hätte. Oder, um ihn jetzt auch noch zu zitieren: “Ich weiss nur dies, dass ich kein ‘Marxist’ bin”. Und natürlich ist es ebenso richtig, dass wir ‘zeitgemäße Lösungsansätze’ finden müssen, aber auch das ist mE kein Grund, Marx diesbezüglich gleich in die Ecke zu stellen, sondern sich auch da kritisch, aber eben auch selbst ‘undogmatisch’ mit ihm auseinanderzusetzen.
* die ‘abhängig Beschäftigten’ bzw ‘vom Kapital abhängigen’ - also Arbeiter, Angestellte sowie das Gros der Kleinunternehmer und Selbständigen
Kommentar von arm am 5. September um 12:34 Uhr
@ zoniman
Sicher sind im Kapitalismus die Verteilungsfragen nicht gerecht und nützlich angelegt. Aber ich frage mich, ob es schon wieder ein materialistischer Denkansatz sein muss. Er wurde ja schon in allen denkbaren Spielarten getestet (Kommunismus=dialektischer Materialismus, Rassismus=biologischer Materialismus und eben heute der Kapitalismus). Muss es immer nur um die Verteilung von Lebenschancen gehen?
Und wenn positiv von einer “Diktatur des Proletariats” gesprochen wird, dann stell ich dem mal den Begriff von der “Herrschaft des Pöbels” (Platon) gegenüber.
Kommentar von Peinhart am 5. September um 13:24 Uhr
Vielleicht habe ich mich etwas missverständlich ausgedrückt, aber mir ging es in erster Linie darum, den Terminus aus heutiger Sicht zu ‘entschärfen’ und in seinen historischen Kontext zu stellen. Selbstverständlich ist die These, dass der Staat erstmal alle Macht an sich reissen sollte um dann von selbst ‘abzusterben’ kritisch zu hinterfragen - das taten auch schon Marxens Zeitgenossen mit guten Argumenten. Und er selbst rückte anlässlich der ‘Pariser Kommune’ auch ein gutes Stück davon ab.
Was die ‘Herrschaft des Pöbels’ angeht, so muss man fragen, was den Plato statt dessen vorschwebte, nämlich eine Art ‘Expertokratie’, also auch nur wieder eine Herrschaft einer Minderheit über eine Mehrheit. Des weiteren müsste man fragen, was ‘Pöbel’ ausmacht, warum es anscheinend immer mehr davon gibt, und was eine ‘Bildung’, die immer mehr im Zeichen der rentablen Verwertung von ‘Humankapital’ steht, damit zu tun haben könnte.
‘Erst kommt das Fressen…’ - und das ist eben noch mitnichten gesichert, im Gegenteil auch in den ‘entwickelten’ Gesellschaften immer weniger. Und Ziel einer ‘gerechten Verteilung der Lebenschancen’ ist es doch gerade, dass es dann darum eben nicht mehr gehen müsse…
Kommentar von Zoniman am 5. September um 15:52 Uhr
@niemand
Da ich nun schon als parteipolitischer Propagandist gebrandmarkt bin, möchte ich meiner Natur die Ehre geben, und gleich noch eins drauf setzen. Und um ein wenig Würze in die ganze Sache zu bringen, vertrete ich diesmal umgekehrt ganz parteipolitisch und propagandistisch den gemeinen Bourgeoisstandpunkt.
Über die Frage nach dem Verhältnis von Staat und Markt wird schon gestritten, solange es Sozialisten gibt. Die bürgerlichen Ökonomen haben die Lösung schon längst gefunden!
Die Menschen müssen sich bei ihrer Versorgung mit materiellen und immateriellen Gütern entscheiden zwischen der Marktlösung und der staatlichen Lösung. Bei der Marktlösung investiert der Privateigentümer sein Kapital in Produktionsmittel um eine bestimmte Menge von einem bestimmten Produkt mit einer bestimmten Qualität zu einem bestimmten Preis auf dem Markt an den Mann zu bringen. Die “unsichtbare Hand” des Marktes sorgt jetzt für eine optimale Ressourcenallokation und Verteilung.
Bei der staatlichen Lösung entscheidet die Regierung per Gesetz welches Produkt zu welcher Qualität und in welcher Menge an welche Mitglieder der Gesellschaft wie und zu welchem Preis verteilt wird. Die Ökonomen wissen sehr genau, dass die Marktlösung nicht nur Vorteile hat, sondern auch Nachteile. Siehe Manchesterkapitalismus! Die staatliche Lösung hat aber auch nicht nur Vorteile. Siehe DDR und Sowjetunion. Ihre Zauberformel: So viel Staat wie nötig, und so wenig Staat wie möglich!
Doch diese Auffassung der Dinge ist Grund falsch! In der Realität sehen die Dinge ganz anders aus. In der Realität war und ist der bürgerlich-demokratische Repräsentativstaat nie etwas anderes als das politische Instrument zur Sicherstellung und Wahrung der Interessen der herrschenden Klassen, auch dann, wenn der Staat Sozialsysteme finanziert um zu verhindern, dass die beherrschten Klassen revolutionär werden. Divide et impera hat funktioniert!
Bürgerliche Demokratie und ökonomische Beherrschung sind keine Gegensätze, sondern zwei Erscheinungsformen ein und derselben kapitalistischen Gesellschaft. Im Gegenteil! Die bürgerliche Demokratie schafft überhaupt erst die nötigen Voraussetzungen für die Verwirklichung der Herrschaft der besitzenden Klassen. Ohne die bürgerliche Demokratie wäre Kapitalismus und Ausbeutung gar nicht möglich.
Man hebe den Staat auf und die politische Macht des Privateigentümers ist aufgehoben, damit ist schon das Privateigentum praktisch aufgelöst, die Warenproduktion beendet und der Markt vernichtet! Man hebe den Markt auf, und man hat das Warendasein des Produkts aufgehoben, mit ihm das Privateigentum, dessen politische Herrschaft und somit den bürgerlichen Staat!
Ich muss mich immer wieder wundern über die seltsamen Forderungen so genannter Sozialisten nach sozialer Gerechtigkeit. Als handele es sich um das schöne Leben innerhalb der Sklaverei und nicht um die Vernichtung aller Sklaverei! Nichts kann falscher sein als die Forderung nach Verstaatlichung, danach, dem Privateigentum eine großartigere Form zu verleihen aber seine niederträchtigen Inhalte beizubehalten. Das bedeutet keineswegs, dass Verstaatlichung als Mittel des proletarischen Kampfes immer abzulehnen sei. Hier oder dort, übergangsweise, kurzfristig, ausnahmsweise, für bestimmte Industrien kann Verstaatlichung sinnvoll und habituell von Effekt sein, um den Interessen des Proletariats zu dienen. Aber sie wird nie die Probleme des Kapitalismus überwinden.
In einem Brief an Bracke bemerkte Engels, dass er und Marx nie ein Geheimnis darüber gemacht haben, dass für sie der Übergang zum Kommunismus durch Bildung von Genossenschaften gekennzeichnet ist.
Wer mit wirklichem Wissen über die politische Herrschaft des Proletariats streiten möchte, der sollte dringend Marxs Werk “Bürgerkrieg in Frankreich” lesen!
Viel Spass!