Politblog.net
 

Machtkampf in den USA - ist der Krieg gegen den Iran tatsächlich "beschlossene" Sache?

Der Eklat um den Massenmord an den Armeniern

Ein Disput über ein historisches Thema droht sich zu einem handfesten Zerwürfnis zwischen den USA und der Türkei auszuweiten. Was ist passiert?

Am Mittwoch, den 10.10.2020, nahm der Auswärtige Ausschuss des US-Repräsentantenhauses eine Resolution an, die das türkisch-osmanische Massaker vor mehr als 90 Jahren als Völkermord bezeichnete. Innerhalb nur weniger Tage eskalierte diese Angelegenheit zu einer handfesten diplomatischen Affäre zwischen den beiden Staaten, möglicherweise noch mehr.

Die historischen Fakten

Im engeren Sinne spricht man vom Völkermord an den Armeniern für die Kriegsjahre 1915 – 1917. Der Vielvölkerstaat des Osmanischen Reiches kämpfte an der Seite der „Mittelmächte“ und war mit dem erwachenden Nationalismus einiger seiner Untertanenvölker konfrontiert. Die Armenier, ursprünglich als loyale Untertanengruppe des Sultans eingestuft, wurden der Hohen Pforte suspekt, als armenische Freiwilligenregimenter auf Seiten der russisch-zaristischen Armee kämpften. Es kam zu massiven Deportationen, Bürgerkrieg und Massenmord an der armenischen Bevölkerung, wobei vor allem die berüchtigten „Todesmärsche“ bekannt geworden sind.

(Einen Überblick über die höchst komplexe historische Faktenlage und die entsprechenden Historikerkontroversen liefert wikipedia.)

Zunächst einmal: Die Tatsache des Verbrechens des Osmanischen Imperiums an seiner armenischen Minderheit ist mit Sicherheit unbestreitbar. Als Massenmord wird er sogar von türkischen Historikern nicht bestritten. Umstritten ist lediglich die Zahl der Opfer dieses Massakers (die Schätzungen reichen von 300 000 bis 1,5 Millionen) und die Frage, ob dieses Verbrechen als Genozid einzustufen ist. Das ist letztlich auch eine Frage der Definition. Wann gilt ein Massenmord als Genozid oder Demozid?

Doch der Historikerstreit im Zusammenhang mit der fortgesetzten nationaltürkischen Ideologie, die die Existenz von nationalen Minderheiten auch in der heutigen Türkei schlicht leugnet (Lhasen, Kurden, Araber, etc.) liefert keine ausreichende Erklärung zu dem, was sich gegenwärtig auf diplomatischer Ebene abspielt.

Die aktuellen Fakten

Die Abstimmung im Auswärtigen Ausschuss erfolgte mit 27:21 Stimmen. Mitte November soll diese Resolution („eine rein symbolische Erklärung“, so die ZEIT vom 11.10.2020) der gesamten Kammer zu Abstimmung vorgelegt werden, sehr zum Unmut von George W. Bush und seiner Außenministerin C. Rice. Bush warnte vor Beschädigung der türkisch-amerikanischen Beziehungen, Rice warnte vor der Schwächung der US-Militärmaschine im Irak und in Afghanistan.

Die demokratische Präsidentin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, sprach sich für diese Resolution aus. “Die traurige Tatsache ist, dass die heutige Regierung der Türkei sich beharrlich und in aggressiver Weise weigert, … den Völkermord an den Armeniern anzuerkennen”, meinte auch der republikanische Abgeordnete Christopher Smith, woraus hervorgeht, dass es sich bei dieser Resolution nicht allein um eine Aktion der Demokraten gehandelt hat.

Der türkische Präsident Abdullah Gül hält das Votum des US-Kongressausschusses für inakzeptabel. Leider hätten einige Politiker in den USA Aufrufe zur Besonnenheit ignoriert und wieder einmal große Probleme für kleine innenpolitische Spielchen geopfert, sagte Gül am Donnerstag (11.10.). (Quelle1, Quelle2)

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte die Kritik am Freitag scharf zurückgewiesen. Der türkische Botschafter in den USA wurde sogar zu “Konsultationen” nach Hause abberufen - in der Sprache diplomatischer Gesten ein scharfer Affront. Quelle

Nach der türkischen Regierung haben sich gegen Ende letzter Woche auch die türkischen Streitkräfte zu Wort gemeldet und scharfe Kritik an der US-Resolution geübt, in der das Massaker an Armeniern zu Zeiten des Ersten Weltkriegs als Völkermord gebrandmarkt wird. Sollte die Entschließung des Außenpolitischen Ausschusses im Repräsentantenhaus auch vom gesamten Kongress verabschiedet werden, würden die militärischen Kontakte zwischen der Türkei und den USA einen unumkehrbaren Schaden nehmen, warnte Generalstabschef Yasar Büyükanit laut einem Bericht der Zeitung ‘Milliyet’ vom Sonntag. Schon jetzt hätten sich die USA ‘in den Fuß geschossen’. Quelle

Wer die türkische Szenerie und Geschichte kennt, weiß, dass das türkische Offizierskorps eine eigene diskrete “Partei” darstellt, die mit Militärkasten in Lateinamerika durchaus vergleichbar ist. Hier sprach eine graue Emminenz ‘ein Machtwort’.

Ist es ein Zufall, dass dieser amerikanisch-türkische „Historikerstreit“ - je nach Sichtweise sehr günstig bzw. sehr ungünstig - zu einer brisanten aktuellen Gesamtsituation hinzukommt? Die traditionell engen Beziehungen zwischen der türkischen Regierung und dem Weißen Haus befinden sich nämlich auf einem relativen Tiefpunkt, und zwar völlig unabhängig von der Frage, ob und in welchem Maße vor 90 Jahren Armenier massenweise ermordet wurden.

Ankara bittet angeblich Washington seit Monaten erfolglos um Unterstützung im Kampf gegen die kurdische PKK, so die Tagesschau. Die Rebellengruppe, die beide Seiten als Terrororganisation bezeichnen und die ihre Stützpunkte im Nordirak haben soll, verübte angeblich in den vergangenen Wochen wiederholt blutige Anschläge in der Türkei. Aus diesem Grund drohe Ankara jetzt mit einem militärischen Einmarsch ins Nachbarland. Dies aber würde eine Destabilisierung des Nordiraks bedeuten und die USA als Besatzer in Bagdad weiter unter Druck setzen. Schließlich gilt das Kurdengebiet als einzig ruhige Zone im Irak. (gleiche Quelle)

Von der Presse zitierte Beobachter scheinen sich einig: Ohne Ankara wäre der Irak-Krieg so nicht möglich. Die USA nutzen die Türkei als Luftwaffenstützpunkt. 70 Prozent der Lebensmittel-Lieferungen für die über 160.000 Soldaten in dem Kriegsgebiet kommen täglich mit 3000 Lastwagen über die türkisch-irakische Grenze. “Egal, ob man Truppen aus dem Irak abziehen möchte oder ob man mehr Soldaten in den Irak schicken will, egal welche Strategie sie dort also verfolgen, sie können das nicht ohne die Türkei machen”, wird ein Sprecher eines Think Tanks zitiert. Der Sprecher eines amerikanischen „Think Tanks“ (”Washington Institute for Near East Policy”) fand sogar drastische Worte. Einige Militärexperten wären der Meinung, dass das das Ende der NATO bedeuten könnte. Quelle

Unklar ist natürlich, warum der Auswärtige Ausschuss des Repräsentantenhauses ausgerechnet jetzt die Türkei-kritische Resolution verabschiedet hat, in der der Tod von hunderttausenden Armeniern in den Jahren 1915 und 1916 als von den Türken verursachter Völkermord angeprangert wird. Auf eine Resolution, die den ebenso unbestreitbaren Tod von hunderttausenden von Zivilisten auf Seiten der Vietnamesen (1965-1975) oder Indonesier (1965) anprangern würde, wird man sicherlich vergeblich warten.

Hikmet Özdemir, Chefhistoriker der türkischen Regierung, stellte 2005 in einem Interview mit der ‘Welt’ kurz die türkische Haltung dar. Ohne die türkische Position in dieser Frage unterstützen zu wollen, geht aus dieser Quelle hervor, dass die türkische Seite keineswegs den Massenmord an den Armeniern durch die osmanische Führung abstreitet, sondern Ausmaß und Bewertung dieses Geschehens (als Genozid) bestreitet.

Doch im aktuellen Fall handelt es sich offenkundig um mehr als eine diplomatische Verwerfung zu einem düsteren historischen Thema.

Die türkische Armee hat seit einigen Tagen Ziele im Norden des Irak unter Artillerie-Beschuss genommen. Über Opfer oder Schaden wurde zunächst nichts bekannt. Die türkische Armee ist schon mehrmals gegen Rebellen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) auch auf nord-irakischem Gebiet vorgegangen. Quelle
Derzeit haben die Angriffe aber eine besondere Brisanz, weil die Regierung in der kommenden Woche die Zustimmung des Parlaments für einen größeren Einsatz der türkischen Armee gegen die PKK im Nord-Irak erhalten will. In den vergangenen Wochen waren 25 türkische Soldaten bei Kämpfen getötet worden. Die USA wollen einen Militäreinsatz Ankaras dort verhindern. Sie fürchten eine Destabilisierung der bislang weitgehend stabilen autonomen Region Kurdistan. In Ankara brachten zwei US-Sondergesandte diese Sorge zum Ausdruck. Eric Edelman, Staatssekretär im US-Verteidigungsministerium, sagte, die Bedenken Ankaras würden weitergegeben. Die Geduld des türkischen Volkes im Hinblick auf die PKK könne man durchaus verstehen.

Es ist in diesem Zusammenhang wirklich skurril, wenn Edelman hier von der Geduld des türkischen Volkes spricht, davon später mehr.
Er betonte außerdem, dass die US-Regierung gegen die Resolution eines US-Kongressausschusses aus der vergangenen Woche sei, in der das Massaker an den Armeniern Anfang des 20. Jahrhunderts als Völkermord bezeichnet worden war.

Laut Reuters werden Militäraktionen der türkischen Armee auch aus dem Irak gemeldet.
Sieben bis Acht Granaten seien im Dorf Nesdoor etwa fünf Kilometer von der Grenze zur Türkei entfernt eingeschlagen, sagten die Zeugen.
Die Türkei habe wiederholt Ziele in der bergigen Grenzregion beschossen. Letztmals war dies aber geschehen, bevor die türkische Regierung erklärt hatte, vom Parlament die Zustimmung für einen Militäreinsatz gegen Kämpfer der kurdischen Separatistenorganisation PKK im Nordirak einholen zu wollen. Dies soll in der kommenden Woche geschehen. Zuletzt hatten Angriffe der Rebellen auf türkische Truppen zugenommen.

Und die Netzzeitung zitiert dpa:
Allein in den vergangenen zwei Wochen sollen mehr als zwei Dutzend türkische Soldaten durch Angriffe von Mitgliedern der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei (PKK) getötet worden sein, die auch aus Lagern im Norden des Iraks heraus agieren. Washington befürchtet, dass eine grenzüberschreitende Aktion Kämpfe im bislang ruhigen Nord-Irak auslösen könnte.

Das ist schon seltsam. Man stelle sich vor, die iranische Artillerie würde in gleicher Weise irakische Grenzdörfer beschießen. Es bliebe gewiss nicht bei solchen lapidaren Agenturmeldungen. Wie sind diese verwirrenden Meldungen einzuschätzen und in ihrem Zusammenhang zu begreifen? Die genannten Agenturmeldungen ermöglichen nur sehr unzureichende Einblicke in das tatsächliche Geschehen. Eigentlich – und alles deutet darauf hin - geht es um den Irak, und nicht um den Massenmord an den Armeniern vor 90 Jahren.

Einige Hintergründe

Es lässt sich nicht verschweigen, dass sich die amerikanische Besatzungsmacht im Irak in einer geradezu ausweglosen Situation befindet und zwar weniger in militärischer, als vielmehr in politischer Hinsicht. Die Besatzungsmacht konnte bis heute kein zuverlässiges Marionettensystem installieren. Offen proamerikanische Gruppen wie die um Iyad Allawi blieben zu einflusslos. Sie mussten sogar mit der Irakischen Kommunistischen Partei koalieren, um überhaupt ins „Parlament“ zu gelangen. Die hinter Maliki stehenden politischen Kräfte sind - zumindest teilweise - Parteigänger des politischen Islamismus schiitischer Couleur (Iran-orientierte SIIC und Badr - Milizen). Es ist ein offenes Geheimnis, dass ohne diskrete Unterstützung durch den Iran diese Regierung schon längst zusammengebrochen wäre. Eine sehr peinliche Konstellation für mehrere Seiten.

Über 80 % der Iraker sind gegen die Besatzung, über die Hälfte befürworten die Aktionen des militärischen Widerstands. Hinter den Kulissen finden die zahlreichen Sektoren des irakischen Widerstands mehr und mehr zu einer Einheit. Nicht in erster Linie militärisch, politisch ist der Irakkrieg für die USA längst unwiderruflich verloren.

Diese Gesamtsituation wird von den Medien gewöhnlich mit offiziellen Meldungen verklärt, wonach der „Aufbau der irakischen Polizei und Armee noch (noch!) Zeit bräuchte“.

Der Beschuss nordirakischer (kurdischer) Dörfer durch die türkische Armee wirft zahlreiche Fragen auf. Ist diese Tatsache doch ein deutlicher Hinweis darauf, dass im hohen Norden des Irak nicht nur Maliki und die Besatzungsmacht, sondern auch die mit den USA kollaborierenden kurdischen Parteien PUK und DPK wenig zu melden haben. Kenner der Szenerie wissen auch, dass die kurdische Bevölkerung keineswegs geschlossen hinter der US–Besatzung steht, wie immer wieder versucht wird, glauben zu machen. Mindestens der offensichtliche Einfluss der PKK im Nordirak deutet darauf hin.

Eine sehr interessante Frage ist natürlich in diesem Zusammenhang auch, wie die Haltung der türkischen Bevölkerung zum Irak–Krieg der USA ist. Noam Chomsky äußerte sich dazu vor einiger Zeit in einem Interview:
Als beispielsweise die türkische Regierung völlig überraschend - auch für mich - die Meinung von 95 Prozent ihrer Bevölkerung akzeptierte und keine amerikanische Offensive über das Territorium der Türkei zuließ, hieß es verbittert, der türkischen Regierung mangle es an demokratischer Legitimität. Dieser Ausdruck wurde gebraucht - mangelnde Legitimität - da die Regierung mit der Meinung von 95 Prozent ihrer Öffentlichkeit konform ging. Unsere große Taube, Außenminister Colin Powell, kündigte umgehend Sanktionen gegen die Türkei an. Am extremsten trieb es der damalige Unterstaatssekretär im Verteidigungsministerium, Paul Wolfowitz. Er gilt in den amerikanischen Medien, und soweit ich es überblicke auch in den europäischen, als führende Kraft bei der Verbreitung der Demokratie. Die Washington Post bezeichnete ihn als “Chefidealisten”. Aber jetzt machte Wolfowitz dem türkischen Militär den Vorwurf, nicht interveniert zu haben - um die Regierung zu zwingen, sich über den Willen von 95 Prozent ihrer Bevölkerung hinwegzusetzen; im Prinzip verlangte er von der Türkei eine Entschuldigung an Amerika und etwas in der Art: “Lasst uns überlegen, wie wir den Amerikanern möglichst von Nutzen sein können”. Das also hat man unter Demokratie verstanden. Und die Farce ging - unkommentiert - weiter. Allein die Tatsache, dass jemand nach so einer Show weiter über Förderung der Demokratie reden kann, ist erstaunlich.

Die Türkei und der Irak-Krieg

Im vergangenen Jahr sorgte der angeblich “islamistische“ türkische Spielfilm „Tal der Wölfe“ für einen Medienskandal. Es wurde sogar das Verbot des Films gefordert und zu seinem Boykott aufgerufen.

Zur Erinnerung ein Pressebericht:
Türkische Kinoproduktion schürt das Feindbild USA

Ein skrupelloser Mörder in US-Uniform - mit dem symbolträchtigen Namen Sam Marshall - verkörpert alles, was in der Realität weltweit Empörung und auch Hassgefühle hervorruft. Der Befehlshaber erschießt im Film mit sadistischem Lächeln Frauen und Kinder, lässt Kurden und Araber foltern, verantwortet Blutbäder. Das alles auch mit christlich-missionarischem Auftrag und gestärkt durch Gebete zu Jesus am Kreuz. Sein Leibarzt, bezeichnenderweise ein Jude, entnimmt den Leichen Organe, die anschließend nach Tel Aviv und London geflogen werden. Erst ein türkischer Geheimagent - der Held des Films - kann die Verbrecher stoppen.

Während in der Wirklichkeit westliche Diplomatenhäuser im Nahen Osten brennen und europäische Karikaturisten mit dem Tod bedroht werden, massakrieren im Film amerikanische Soldaten im Irak. Quelle

Der Film beruht auf einer tatsächlichen Begebenheit, der sogenannten „Sackaffäre“. Am 4. Juli 2003 überfielen verbündete amerikanische Einheiten das inoffizielle, halb geheime Quartier einer elf Mann umfassenden türkischen Spezialeinheit im Nordirak.

Die türkische Einheit hielt dieses Zusammentreffen für einen gewöhnlichen Besuch von Verbündeten. Doch dieses Mal war die Situation total anders. Aufgrund der veränderten Lage streben die USA nun an, einzige bestimmende Macht in der Region zu werden. Ihrer Meinung nach gibt es in der Region für die Türken keinen Platz mehr. An diesem Tag stülpt man elf Soldaten, unter Missachtung ihrer militärischen Ehre und vor den Augen der Bevölkerung, Säcke über die Köpfe und verweist sie des Landes.

Soweit die Hintergründe und Tatsachen, für den “Skandal” sorgte die fiktionale Fortsetzung des Plots.

Mit seinen besten Männern, so der Film, reist der türkische Geheimagent Polat Alemdar in den Irak, um die Hintergründe dieses erniedrigenden Falls nachzuforschen. Doch im Nordirak erwartet die Gruppe eine Verwüstung jenseits aller Vorstellungskräfte. Ein zerstörtes Land, dessen Werte, Menschen und Geschichte vollkommen vernichtet sind. Dennoch gibt es einen Mann, der sich aus dieser Vernichtung ein Vermögen schafft: der US- Amerikaner Sam William Marschall, der auch für den „Kapuzenfall“ verantwortlich ist, eine düstere Mischung aus Kriegsunternehmer, Offizier und Mafioso.

Der Film wurde ein Rekordbrecher des türkischen Fernsehens und ist – zum Ärger der westlichen Medien - längst ein Kult und Phänomen. In „Tal der Wölfe“ spiegelt sich die Sicht der türkischen Bevölkerung über den Irak-Krieg offensichtlich deutlicher und richtiger wider als in der Vielzahl “offizieller” Agenturmeldungen.

95 Prozent der türkischen Bevölkerung sind gegen den Irak–Krieg

Die türkische „Elite“, die militärische wie die zivile, muss offensichtlich eine Bevölkerung regieren, die zu 95 % gegen den Irak–Krieg eingestellt ist. Der irakische Widerstand erfreut sich der mehr oder minder offenen Sympathie der türkischen Bevölkerung, während die Eliten mehr oder weniger offen mit Invasion und Besatzung kollaborierten. Dieser Widerspruch ist schreiend, schreiender noch als der entsprechende in Deutschland zwischen der Haltung der Bevölkerung und der „Eliten“ in der Afghanistan–Frage.

Diese Erwägungen lassen möglicherweise den Historikerstreit über den Massenmord an den Armeniern vordergründig erscheinen. Was könnten demnach die Motive der Ausschussmitglieder des Repräsentantenhauses gewesen sein, diese Resolution ausgerechnet jetzt zu verabschieden.

Widersprüche innerhalb der amerikanischen “Elite”

Die Tagesschau vermutet: Die Demokraten wollten damit Sand in das Getriebe des amerikanischen Irak-Kriegs streuen. Das scheint abwegig. Die „führenden demokratischen Präsidentschaftskandidaten“ Clinton und Obama sind längst vom Militärindustriellen Komplex eingekauft und denken gar nicht daran, den Irak–Krieg in absehbarer Zeit beenden zu wollen. Alles andere ist reine Rhetorik.

Näherliegend ist die Vermutung, dass oppositionelle Kreise der amerikanischen „Elite“ den seit Monaten drohenden Militärschlag gegen den Iran sabotieren wollen. Auf Widersprüche innerhalb dieses Lagers deutet auch der kürzlich veröffentlichte „offene Brief“ von Gary Hart an die iranische Regierung hin.

Mit einer weiteren Meldung, die diese These bestätigt, wartete gestern RIA Novosti auf. Die russische Agentur bezog sich auf ein Interview des Fernsehsenders ABC mit Nancy Pelosi vom vergangenen Sonntag:
US-Präsident George Bush hat keine verfassungsmäßigen Vollmachten, ohne Zustimmung des Kongresses einen Militärschlag gegen Iran zu führen, erklärte die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses… (…) Wie sie sagte, habe Bush sich bisher nicht mit einem entsprechenden Antrag an den Kongress gewandt. „Im Falle eines Angriffs auf das Land habe der Präsident zwar sehr breite Vollmachten für einen Gegenschlag, doch in allen anderen Fällen ist er verpflichtet, sich an den Kongress zu wenden“, stellte sie fest.

Die Parlamentarierin wandte sich in diesem Zusammenhang gegen einen Senatsbeschluss, der darauf abzielt, die Islamischen Revolutionswächter in Iran auf die Liste der Terrororganisationen zu setzen und gegen ihre Angehörigen Sanktionen zu verhängen. „So etwas gab es in der Geschichte unseres Landes noch nicht, dass der Senat per Beschluss Teile der Streitkräfte eines anderen Landes zu einer Terrororganisation erklärt hätte“, empörte sie sich.

Ihrer gegenwärtigen Form nach sei die Resolution für das Weiße Haus nicht verbindlich und könne keinen Militärschlag der USA gegen Iran begründen. Doch schon allein die Tatsache, dass sie verabschiedet worden sei, „schaffe rund um Iran eine Atmosphäre des Argwohns, wodurch die Vorbereitung eines derartigen Schlages begünstigt werden kann“, warnte Pelosi, die laut der amerikanischen Verfassung die dritte Person in der amerikanischen Staatshierarchie ist. (15.Oktober, RIA Novosti)

Ganz offensichtlich gibt es Fraktionen innerhalb der die USA regierenden Plutokratie, denen ein Militärschlag gegen den Iran als ein zu großes Risiko erscheint, mit schwerwiegenden politischen Folgen für den ganzen Mittleren Osten. Die am Tropf der USA hängenden schwächlichen Diktaturen - etwa Pakistan, aber auch Saudi-Arabien, die Golfstaaten, etc. - könnten weiter geschwächt werden. Es bestünde sogar die Gefahr, dass einzelne völlig “umkippen”, Pakistan wäre so ein Kandidat. Auch die Tatsache, dass die irakische Marionetten-Regierung sich ohne stillschweigende iranische Duldung, ja Unterstützung gar nicht halten könnte, mag ein Grund des Einlenkens sein.

Ein diplomatischer Eklat, ausgelöst durch das Zauberwort „Armenier“, erscheint daher als durchaus geeignetes Sabotageinstrument. Es hat darüber hinaus den Vorteil, die “oppositionellen Kräfte” als auch die USA insgesamt als „Sachwalter der Menschenrechte“ präsentieren zu können.

Bush, Rice und Cheney kommt diese Resolution äußerst ungelegen, weil sie ganze Heerscharen schlafender Hunde weckt. Ein schlafender Hund: Der geplante Militärschlag gegen den Iran. Was ist, wenn die türkische Führung sich aus Rücksicht auf ihre Bevölkerung wirklich gezwungen sieht, die Versorgung der Besatzungstruppen im Irak über das eigene Gebiet nicht mehr sicherzustellen? Eine Attacke gegen den Iran wäre dann zumindestens erschwert.

Die derzeitige US-Administration repräsentiert die Teile des Kapitals, die mit der Dauerniederlage der USA im Irak gutes Geld verdienen. Dazu gehört die Ölindustrie bis hin zu kommerziellen Terrororganisationen, die bisweilen auch “Sicherheitsfirmen” genannt werden. Diese sind gar nicht daran interessiert, ob der Krieg zu gewinnen ist. Hauptsache, er dauert an und weitet sich idealerweise sogar aus.

Gleichwohl unterscheiden beide “Strömungen” der amerikanischen Elite nur taktische, keine grundsätzlichen Differenzen, schon gar nicht bei den “Menschenrechten”, die beide mit Füssen zu treten bereit sind.

Die Motive der türkischen Stellungnahmen sind gleichfalls nachvollziehbar. Der massiven Feindschaft in der türkischen Bevölkerung gegen die US–Politik wird ein Ventil geschaffen und gleichzeitig nebenbei versucht, die türkisch-nationalistische Sicht des osmanischen Massakers an den Armeniern festzuschreiben. Die türkische Führung kann sich dabei der Unterstützung breiter Teile ihrer Bevölkerung sicher sein, denen es aber letztlich nur darum geht, dass die türkische Führung den Kollaborationskurs mit den USA endlich beendet.
Dieser Eintrag wurde am Dienstag, den 16. Oktober 2007 von nemetico geschrieben und in die Kategorie Internationale Politik eingeordnet. Du kannst alle Kommentare zu diesem Artikel mit dem RSS 2.0 Feed beobachten. Du kannst eine Antwort hinterlassen, oder durch einen Trackback auf diesen Artikel verlinken.
Tags: , , , , , , , , ,

Kommentar von foxnewsdie am 16. Oktober um 08:46 Uhr

Ich muss ein dickes Lob aussprechen. Seit Wochen verfolge ich diesen Blog wie keinen anderen. Es ist unglaublich schön und zudem kostenlos interessante, sachliche, unparteiische Berichte zu lesen. Ich drucke mir gerne den ein oder anderen Artikel aus, um diesen in Ruhe nochmal durchzugehen. Danke Euch, weiter so!

zum Thema:
die Bush-Agenda besagt schon seit dem die NeoCons an der Macht sind, dass unbeugsame “ölreiche” Staaten mit imperialistischen Mitteln zu bekehren sind. Man muss sich einfach die Basen der US-Armee im Mittleren Osten anschauen, dann weiss man, wo noch unerschlossene Gebiete zu besetzen sind.

gruß
foxnewsdie

Kommentar von nobody am 16. Oktober um 09:00 Uhr

nicht die armanier sondern die türken wurden massakiert türkei legt archive offen jede kann danach forschen.
ich komme osten von der türkei und habe geschichte von zeugen gehoert.Wir finden immer wieder massengraeber von ermordete türken.
hier sind die beweise dafür
http://www.ermenisorunu.gen.tr/deutsch/index.html

Kommentar von nobody am 16. Oktober um 09:02 Uhr

link funtioniert leider nicht hier finden sie die richtige adresse dafür
http://www.ermenisorunu.gen.tr/deutsch/einleitung/index.html

Kommentar von KurdKurd am 16. Oktober um 10:17 Uhr

Sehr gute These, deckt sich mit meiner (aus türkischer Sicht).
Was uns Türken aber noch stört, vor dem Armenier-Vorfall wurden Zig-Türkische Dörfer ausradiert von Kräften an denen die Armenier aktiv beteiligt waren.
Als unsere Soldaten an der Front kämpften wurden hinten unsere Mütter, Töchter und Kinder massakriert. Diese massaker sind in den türkischen Archiven dokumentiert, werden aber natürlich nie miteinbezogen, weil die Armenier-Sache eh leider nur politische Natur ist.

Kommentar von Levante am 16. Oktober um 10:58 Uhr

@nemetico Zita: Das ist schon seltsam. Man stelle sich vor, die iranische Artillerie würde in gleicher Weise irakische Grenzdörfer beschießen. Es bliebe gewiss nicht bei solchen lapidaren Agenturmeldungen.
Doch es bleibt bei lapidaren Agenturmeldungen
Quelle 1

http://radio-utopie.de/index.php?themenID=857

http://www.nadir.org/nadir/initiativ/isku/pressekurdturk/2007/34/05.htm

habe nur einen zu langen Link klein gemacht :-) Pony

Kommentar von Markus am 16. Oktober um 12:30 Uhr

Mir scheint es so als ob sich in USA wirklich Wiederstand in den eigenen Reihen hegt.
- Gary Hart schreibt einen offenen Brief in der er die Regierung verdächtigt, False-Flag Operationen auszuführen. Sowas ist bei uns, jedenfalls von so exponierter Stelle noch undenkbar, obwohl es hier in Deutschland einige Dinge gibt die bei den letztens “verhinderten Anschlägen” suspekt wirken (Falsche Chemikalien, Dienste wissen schon lange bescheid, Hinterman “Prediger Yehia Yousef” arbeitet von 96-2002 für den Verfassungsschutz, IJU laut bademwürtembergischen Verfassungsschutz eine Erfindung aus dem Internet, usw.)
- Die Atombomben werden entdeckt. Dazu musste es auch Wiederstand innerhalb des Militärs geben. (Was ist eigentlich mit der 6ten Bombe? Was ist mit den toten Soldaten der Airforcebase?)
- Ria Novosti meldet das der Komet ein Spionagesatelit war, abgeschossen von den eigenen Leuten. Klang irgendwie glaubhaft, nachdem dort soviele Menschen erkrankten. (Sumpfgase, die spinnen die Medien…)
- Jetzt scheint sich wieder Wiederstand innerhalb der US-Führung zu regen. Hoffentlich schmeißt die Türkei die Amis raus.

Bleibt zu hoffen das diejenigen, welche gegen den Irankrieg sind die Oberhand gewinnen/behalten. Mir macht das jedenfalls Mut das man das allergrößte Schlamassel im arabischen Raum evtl. doch noch verhindern kann.

Markus

Kommentar von nemetico am 16. Oktober um 14:06 Uhr

@Levante

Potztausend. Ich bezog meine Bemerkung zwar auf den südlichen Irak, aber egal. Ist ja wirklich hochinteressant. Gibt es eine heimliche Allianz Türkei - Iran zur Bekämpfung des kurdischen Nationalismus? Und gar noch eine diskrete Achse Türkei-Iran-PUK gegen PKK und ihr nahestehende Strömungen.

Ich fürchte, ich muß weiter recherchieren. Bin für Hinweise stets dankbar.

Kommentar von hgz am 16. Oktober um 14:10 Uhr

Jetzt scheint sich wieder Wiederstand innerhalb der US-Führung zu regen. Hoffentlich schmeißt die Türkei die Amis raus.

Sofern ich mich erinnern kann, hat die Türkei 36 Millarden Dollar von den USA kassiert für ihre Rolle bei Irakkrieg. Die werden gar nichts tun, denn dafür wurden sie schließlich bezahlt. Außerdem wollen sie ja auch in die EU und brauchen dafür die USA.

Kommentar von Grom am 16. Oktober um 15:35 Uhr

Ich persönlich bin da schwer hin und hergerissen, denn einerseits wäre es nur für den Iran zu wünschen, das er keine USRAEL Agression erleben muss, anderes seits wäre ein Angriff auf den Iran der Todestoss für das verhasste US-Regime und würde den Kollaps der USA beschleunigen und den Wiederstand der freien Welt und aus den USA selbst deutlich erhöhen.

Kommentar von Fr33dom am 16. Oktober um 16:31 Uhr

Guter Artikel,
Bin selber Türke und lese viel mit und verfolge das seit einiger zeit.
Kann dem Artikel insgesamt zustimmen und bin auch der Meinung meiner vorposter.
Das ist ziemlich geschickt gemacht - Die Türkei spricht die USA darauf an endlich die PKK aus dem weg zu räumen bzw. mal darüber zu “reden” aber die streichen lieber das Thema und nehmen den “Massenmord” an den Armeniern - ganz geschickt eingefedelt um der Welt wieder was anderes zu verkaufen, um von den eigentlichen problemen abzulenken.
Das die USA die PKK mit Waffen und Mitteln unterstützt ist längst unter der Bevölkerung und bei der Politik bekannt, nur erwähnt es niemand offen.
Die Türkei wird ganz sicher in den nächsten Wochen eine Millitär Offensive in den Nord-Irak starten gegen die PKK - denn wie lange will man sich ansehen das hunderte Soldaten ohne Grund an der Grenze draufgehen ?
Die Geduld der Bevölkerung und des Millitärs ist am Ende.
Die Regierung ist Korrupt sonst wären die schon längst dadrin.

Ein Problem wird sein, das dort wie in jedem anderen Konflikt auch sicherlich zivilisten sterben werden - und bei uns wird man dann einen riesen zirkus drum machen !!!! bei den Amis und Isrealis sinds ja immer die “INSURGENTS” bewaffnete wiederstandskämpfer ohne waffen…
Nunja.
Abschließend sollte gesagt sein, dass wenn die USA den Fehler machen und der Türkei in irgendeiner Weise zu nahe kommen, richtig was einstecken werden.
Sei dies Politisch oder Militärisch.
Ich hoffe nur das Thema mit dem Iran wird nicht eskalieren.

Grüße aus Duisburg
Fr33dom

Kommentar von Nemo am 16. Oktober um 17:55 Uhr

Ein auf jeden Fall interessanter und lesenswerter Artikel!

Dennoch halte ich Gerüchte über Zerwürfnisse in der US-Führung oder gar vor dem Hintergrund eines möglichen Iran-Krieges meuternde und sabotierende Militärs nach wie vor für gewagt.

Ich glaube, dass es sich bei “zufällig enthüllten Angriffsplänen” derzeit immer noch um möglichst glaubwürdig inszenierte psychologische Maßnahmen handelt, die darauf abzielen, den Iran zum Einlenken zu bewegen. Denn Krieg ist “nur” die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, um bestimmte Ziele zu erreichen (dem Gegner seinen Willen aufzuzwingen). Das heißt, wenn diese Ziele ohne Krieg erreicht werden können, z.B. durch eine Politik der Einschüchterung, Erpressung etc., dann wird man ihn nicht vom Zaun brechen.

Der iranische Außenminister hat sich kürzlich in diesem Sinne geäußert:

“Seit sechs Monaten wird gegen Teheran ein psychologischer Krieg geführt, da offen Szenarien einer Militärinvasion oder von Präzisionsschlägen erörtert werden”, sagte Mottaki am Mittwoch auf einer Pressekonferenz in der UNO. […] Interessanterweise werden jedes Mal konkrete Daten und sogar die Zeit dieser Militäraktionen bekannt gegeben”

Auch Putin meinte beim Treffen mit Merkel, es hätte keinen Sinn, Iran zu drohen und Angst einjagen zu wollen.

Was den möglichen Verlust der Türkei als US-Aufmarschgebiet für einen möglichen Iran-Krieg betrifft: Die Szenarien gehen i.d.R. nicht von einer Invasion, sondern von Luftschlägen aus, die von entfernten Flugplätzen oder Schiffen aus erfolgen würden. Ich weiß nicht, ob die Türkei da so unentbehrlich wäre.

Kommentar von nemetico am 16. Oktober um 17:56 Uhr

Nun, eine eventuelle Invasion der Türkei in den Nordirak wird kein Spaziergang, denn die PKK verfügt - soweit ich es übersehen kann - über eine gute Basis im Nordirak. Es gibt angeblich PKK-Büros sogar bis Bagdad. Mir sind Schätzungen bekannt, wonach die PKK mindestens 3000 Kämpfer im Nordirak hat.
Was aber viel wesentlicher ist: die kurdischen Parteien DPK und PUK im Nordirak haben offensichtlich große Schwierigkeiten, ein Vorgehen gegen die PKK ihrer eigenen Gefolgschaft gegenüber zu rechtfertigen. Mit PUK und DPK haben wir - neben der türkischen Führung, Pakistans Musharraf, Iraks Maliki etc noch zwei US - Vasallen, die eigentlich etwas völlig anderes tun (müssen) als sie ihrer Basis versprochen haben.
Das us-imperialistische Vasallensystem wackelt und bröselt an allen Ecken und Enden.

Unabhängig von der Frage, wie der US-Imperialismus die kurdischen Frage immer wieder zu instrumentalisieren versucht, bleibt allerdings die Zukunftsaufgabe (für die Zeit nach US-Besatzung und Kolonialkrieg), eine gerechte Lösung dieser Frage zu suchen.

Kommentar von nemetico am 16. Oktober um 18:12 Uhr

Dennoch halte ich Gerüchte über Zerwürfnisse in der US-Führung oder gar vor dem Hintergrund eines möglichen Iran-Krieges meuternde und sabotierende Militärs nach wie vor für gewagt.

Es geht auch gar nicht um Zerwürfnisse in der US-Führung, konkret der Regierung. Es gibt sehr wohl Interessensunterschiede in dem, was man die us-amerikanische Plutokratie insgesamt nennen könnte. Die hinter Cheney & Co versammelte Sippschaft verdient ja am fortgesetzten Krieg ganz gut, sie müssen ihn ja nicht bezahlen, sondern bekommen die Gelder, die für ihn ausgegeben werden. Logisch, daß diesen Kräften es ziemlich egal ist, ob der Krieg als nicht gewinnbar oder verloren gewertet werden könnte. Sie sehen sich als Gewinner.
Es gibt aber andere Sektoren der Plutokratie, denen allmählich angst und bange wird vor den Konsequenzen des Kurses der gierigen Bush-Cheney-Sippschaft.
Jedenfalls ist aus der Sicht der Cheney - Leute die Präsentation des Armenienthemas außenpolitisch pure Sabotage, und ich bin mir sicher, sie war auch so gemeint. Daß es ein Anliegen historischer Gerechtigkeit sein soll, bin ich nicht bereit zu glauben, nicht bei Pelosi & Co, basta.

Ich gebe dem Kommentator durchaus recht, daß die geradezu auf dem Märkten ausgeplauderten Angriffspläne gegen den Iran auch eine psychologische Funktion haben sollen. Es wird aber auch versucht, auszutesten, “wie das denn so ankommt”.

Auch ein purer Luftschlag gegen den Iran ist übrigens mit beträchtlichen Risiken verbunden, denn die iranische Luftwabwehr scheint nicht gerade von Pappe zu sein. Schwerwiegender aber noch wären die politischen Konsequenzen, etwa bezogen auf Pakistan oder Afghanistan, ganz zu schweigen vom Irak, wo sich ohne die iranorientierte SIIC kaum noch eine Marionettenregierung bilden läßt (es sei denn, es wird gleich der us-feindliche Al-Sadr Premier).

Ich sehe hier klare Interessenkonflikte zwischen verschiedenen Sektoren der Plutokratie (nicht der Führung, die ist gewiß geschlossen cheneyistisch). Allein die Ölindustrie ist - wohl entgegen ursprünglichen Erwartungen - sehr zu kurz gekommen, denn die Ölpipelines im Irak können gar nicht so schnell repariert werden, wie sie vom Widerstand zerstört werden.

Kommentar von bingobongo am 16. Oktober um 18:35 Uhr

Liebe Politblogger,

Spekulationen über eine opponierende Fraktion innerhalb des “Apparates” hin oder her. Jeder Mensch hat immer noch ein Gewissen. Und es kommt oft vor, dass sich Menschen angewidert vom Treiben der Geld-und Kriegsmaschinerie abwenden, kündigen, sabotieren, die Pfeife blasen. Das kommt eben nur selten in den Nachrichten. Es sei denn es handelt sich um höhere Offiziere, von denen sind dem Pentagon ja schon Dutzende von der Fahne gegangen. Und beim Angriffsbefehl auf den Iran werden es wieder Dutzende sein. Und wenn Sie dann gezwungen sind, ihre schwarzen Söldnerarmeen aufzubieten, wird es niemanden mehr geben, der ihnen noch glaubt und folgt. Und das trotz ihrer Milliarden-Propanganda-Budgets.

Lügen haben eben nur kurze Beine.

Kommentar von dirtybomber am 16. Oktober um 21:36 Uhr

Jetzt muss schon Wikipedia als Quelle herhalten. Kein gutes Zeichen.
Wenn man den Massenmord an den Armeniern thematisiert, sollte wenigstens der Begriff der hauptverantwortlichen Gruppierung dafür genannt werden, der der Young Turks. Und wer waren diese:

http://www.grecoreport.com/the_young_turks_who_were_they.htm

Eine andere Quelle beschreibt:
http://www.bh.org.il/Communities/Archive/Salonika.asp

[aus der Ecke kommen übrigens auch Sarkozys Vorfahren]

Wundert sich denn niemand, woher wohl diese herrvorragenden Kontakte zwischen den “Eliten” der Türkei und Israels herrühren?
Erst jüngst wieder durfte Israel via Türkei Syrien aus der Luft angreifen.

EDIT: Hallo dirtybomber - bitte keine so langen copy&paste und schon gar nicht in Englisch. Es sind ja die Links da - da kann jeder gucken. Danke pony

Kommentar von nemetico am 17. Oktober um 00:31 Uhr

@dirtybomber
Das klingt ein wenig nach “jüdischer Weltverschwörung”. Tatsache ist, daß bei Begründung der Jungtürken zahlreiche herausragende Intellektuelle verschiedener Völkerschaften (”Minoritäten”) mit den Jungtürken sympathisierten. Neben den Juden u.a. auch armenische Repräsentanten, Maroniten etc.
Die nationalchauvinistisch-türkischnationalistische Wendung der Jungtürken ist gewiß nicht dadurch zu erklären, daß auch Juden diese Bewegung unterstützten.
Treibende Kraft des Völkermordes war ein gewisser Talat Pascha, der von einem “pantürkichen” Reich unter Einschluß Aserbaidschans, Usbekistans etc “träumte” und bei dererlei Schlafwandeln durch jungtürkische Milizen zwischen 300 000 und 1 500 000 Armenier massakrieren ließ.
Ich halte ganz und gar nichts davon, dieses historische Verbrechen wieder einmal zu “völkisieren”, wie dies einige Kommentatoren tun. Es geht nicht darum, “die Türken” für dieses monströse Verbrechen verantwortlich zu machen, den die Täter sind heute namentlich wohlbekannt.
Auch Kemal Attatürk, der Gründer der heutigen Türkei, bezeichnete 1920r den Völkermord an den Armeniern vor dem Parlament ausdrücklich als „eine Schandtat“. Diplomaten gegenüber befürwortete Atatürk eine harte Bestrafung der Täter. Allerdings fanden viele ehemalige Jungtürken in der kemalistischen CHP Aufnahme.
Das türkische Volk wird sich mit dieser düsteren Vergangenheit auch beschäftigen müssen, auch wenn es heute nicht für das damalige Verbrechen verantwortlich gemacht werden kann.

Es kommt aber noch etwas hinzu: aus eigener Erfahrung weiß ich, daß sehr viele Türken Angehörige nationaler Minoritäten sind, dies aber tunlichst bestreiten. Ich kannte Kurden, die sich türkischer gebärdeten als die Türken, aus Angst, für PKKler gehalten zu werden. Lhasen schäm,en sich ihres “Dialektes”, der in Eirklichkeit eine eigene, mit dem griechischen entfernt verwaqndte Sprache ist. Usw.
Diese Klima der Angst, das ich auch bei Angehörigen der arabischen oder auch der lhasischen Minorität vorfand, spricht ein deutliches Votum gegen den türkisch-chauvinistischen Scheiß, der da manchmal verbraten wird. Kurden sind historisch nun mal keine Türken, sondern stammen von den antiken Medern ab.
Nach meiner Einschätzung entstammen mindestens die Hälfte aller Türken (abgezogen die, die sich subjektiv sowieso z.B. als Kurden sehen) von in der Vergangenheit zwangsassimilierten Minderheiten ab, und ich weiß wohl wovon ich rede.

Aber das hat alles gewiß nichts zu tun mit dem Mißbrauch, der mit dem Armenierthema durch die USA betrieben wird.

Kommentar von KurdKurd am 17. Oktober um 10:31 Uhr

Sofern ich mich erinnern kann, hat die Türkei 36 Millarden Dollar von den USA kassiert für ihre Rolle bei Irakkrieg. Die werden gar nichts tun, denn dafür wurden sie schließlich bezahlt. Außerdem wollen sie ja auch in die EU und brauchen dafür die USA.

Soweit ich weiss haben sie nichts bekommen. Sie haben ja mit dem Verbot der Nutzung der Türkei für die Invasion quasi auf das Geld gepfiffen.

Die EU-Sache ist für die meisten Türken eh vom Tisch, es sind nur riesige Anstrengungen gewesen und deswegen kann das nicht offiziell vom Tisch.

Ausserdem sehen die meisten Türken die Reformbemühungen bezüglich EU-Beitritt positiv entgegen, nicht wegen der EU, sondern einfach weil es Fortschritt ist.

Das türkische Volk vergisst nicht so leicht, von dem her ist wohl eine EU-Beitritt undenkbar, wenn es mal soweit ist, das Europa wirklich die Türkei reinlassen würden, würden die Türken wohl dankend ablehnen.
Offiziell wird die übliche Politik natürlich weitergeführt, ein Bruch dieses Weges könnte sich keine Partei in der Türkei offen leisten.

Kommentar von Nemo am 17. Oktober um 12:20 Uhr

Interessant: Es gibt noch mehr Hintergründe für die plötzlichen Spannungen zwischen den USA und der Türkei. Dabei geht es um eine neue Pipeline, die iranisches Gas über die Türkei nach Europa transportieren soll - und Geschäfte mit dem Iran stehen nicht auf Washingtons Wunschzettel. Die türkische Führung hat aber offenbar trotz US-Drucks Rückgrat bewiesen.

Kommentar von Eskandarian am 18. Oktober um 00:08 Uhr

Also ich bin selber Armenier und ich sage es gab keinen Armenier-Genozid. Ich habe sehr lange geforscht und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass es zuviele unterschiedliche Quellen zu dem angeblichen Armenier-Genozid gibt, was darin hindeutet, dass es eher so etwas wie ein Bürgerkrieg war, der natürlich mehr tote Armenier forderte als tote Türken allein aus dem Hintergrund, dass die Osmanischen Streitkräfte einfach viel größer waren.
Schöne Grüße Eskandarian

Eigenen Kommentar verfassen: