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Mansoor Hekmat über die iranische Revolution von 1979 (Dokumentation)

Ich möchte Ihnen einen Text des kurdischen Revolutionärs und Arbeiterführers Mansoor Hekmat aus dem Jahre 1996 vorstellen. Er erscheint mir in verschiedener Hinsicht bedeutsam und lesenswert. Mansoor Hekmat in im Mittleren Osten eine wohlbekannte Persönlichkeit gewesen.

Er gründete die Union kommunistischer Kämpfer und nahm später an der “Islamischen” (Anführungszeichen von mir, nemetico)  Revolution von 1979 teil, auf deren Höhepunkt ein Arbeiter- und Soldatenrat (shoras) gegründet wurde. Anders als der größte Teil der iranischen Linken lehnte er aber Treuebekenntnisse zum Islamismus und dem Obersten Rechtsgelehrten Ruhollah Chomeini ab. Er sprach vom „Mythos einer progressiven nationalen Bourgeoisie“. Seine Ansichten ließen ihn 1981 ins iranische Kurdistan flüchten. Seine Union marxistischer Kämpfer schloss sich mit der kurdischen Gruppe Komalah zusammen, die maoistische Wurzeln hatte. Zusammen bildeten sie die Kommunistische Partei Irans (CPI). Hekmat verließ die CPI und gründete 1991 die Arbeiterkommunistische Partei Irans (WPI). Auch beim Aufbau einer ähnlichen Organisation im Nachbarland Irak, der Arbeiterkommunistischen Partei Iraks, war er behilflich. Hekmat setzte sich für die „Rückkehr zu Marx“ ein und sah die Arbeiterklasse als auf sich allein gestellt an, weil sie die einzige Klasse sei, die größere Veränderungen im 20. Jahrhundert erwirkt habe. Der Sowjetunion oder der Volksrepublik China sprach er ab, sozialistische Staaten zu sein und verortete sie als national-bourgeoise Systeme, die Mehrwert und Lohnsklaverei nicht abschafften und die Produktionsmittel nicht vergesellschafteten. Teilweise waren seine Ansichten durch den Rätekommunismus geprägt (…)
Er starb 2002 in seiner Londoner Zuflucht an Krebs.

Soweit wikipedia

Den vorliegenden Text schrieb Mansoor Zum zwanzigsten Jahrestag der Revolution des Jahres 1979 im Iran (1). Ich habe den deutschen Text hier gefunden und ihn stillschweigend stilistisch und orthographisch korrigiert, ohne den Inhalt im geringsten zu verändern. Ich habe mir erlaubt, einige Textteile, die mir besonders bedeutsam erschienen, fett hervorzuheben.

Ich stimme nicht unbedingt mit allen Einschätzungen dieses Textes des verstorbenen Arbeiterführers überein, aber darauf kommt es auch gar nicht an. Mansoor Hekmat war nicht nur ein Theoretiker, sondern nahm als Aktivist an der Bewegung zum Sturz des Schah 1979 teil. Aus seiner Sicht stellte das Khomeini - Regime, kurz gesagt, eine Fortsetzung des bürgerlichen Schah - Regimes mit anderem Outfit dar. Ich persönlich meine, daß Mansoor dazu neigte, im Übermaß den Unterschied zwischen offen kollaborationistischen Regimes (wie das des Schah) und des bürgerlich-nationalistischen Mullah - Regimes zu verneinen und beides gleichzusetzen. Auch die von ihm inspirierten “Arbeiterkommunistischen” Parteien im Irak und im Iran setzen diese Linie fort und sind radikal säkularistisch und verteidigen insbesondere die Rechte der Frau gegen den Islamismus. Es handelt sich aber aus meiner Sicht vor allem um Fragen der politischen Taktik und der Einschätzung großer Teile des ideologisch vom Islamismus inspirierten irakischen Widerstandes. Unter Bedingungen der Besatzung schließen sich die irakischen Widerstandskämpfer natürlich denjenigen Widerstandsorganisationen an, die ihnen die bestmöglich Unterstützung versprechen. Man muß aber - auch im Irak - gewiß kein “Islamist” sein, um gegen die brutale Besatzung zu ein.
Für die große Mehrheit unserer Leser aber soll dieser Text Mansoors den Blick darauf lenken, daß die iranische Revolution 1979 nicht etwa ein “Werk” der Mullahs war, sondern vielmehr von diesen “übernommen” wurde. Der Schah stürzte nämlich 1979 durch einen Massenstreik der iranischen Ölarbeiter, der sich über das ganze Land ausweitete und die schahtreuen Repressionskräfte dazu brachte, ihre Waffen nicht mehr gegen das Volk zu richten. Der Ablauf dieser Revolution erinnerte in ihren Anfängen durchaus an die Ereignisse 1989 in der DDR: Armee und Polizei rebellierten gegen ihre Kommandeure und das Schah - Regime brach wie ein Kartenhaus zusammen. Oder an den Zusammenbruch des Putsches gegen Chavez in Venezuela 2002. Die Repressionskräfte gehorchten ihren Herren einfach nicht mehr.
Diese Bewegung war tatsächlich nicht islamistisch gewesen, wie die imperiale Propaganda und Geschichtsschreibung bis heute weismachen will. Es gibt zahlreiche Vermutungen, daß das Eingreifen Khomeneis in die iranische Revolution massiv von “westlichen” Diensten als “Alternative” zu einer Revolution der Arbeiterräte gefördert und gepuscht wurde.
Auch darüber werde ich recherchieren und zu gegebener Zeit erste Ergebnisse vorlegen.

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Die Geschichte der Unbesiegten
Ein Paar Worte zur Erinnerung an die 79er Revolution im Iran

Es wird gesagt, daß in den letzten Jahren unter den Revolutionären und Linksoppositionellen Irans ein ”Rückschau- und Neubetrachtungsprozeß” in Gang gekommen ist. Durch einen Blick auf die Printmedien, insbesondere auf diejenigen, die über diese Gruppierungen außerhalb des Landes berichten, läßt sich die Existenz eines solchen Phänomens bestätigen - obwohl ernsthaft zu bezweifeln ist ob dafür der Begriff ”Rückschau” der richtige Ausdruck ist. In der Abgeschiedenheit, wo die Wahrheit auszusprechen niemanden beleidigt, kann man diesen Vorgang als einen Reueprozeß bezeichnen. In der Öffentlichkeit, wo besonders heutzutage political correctness herrscht, würde man es vielleicht als ”neues Denken” beschreiben. Die erste Opfer dieses ”neuen” Denkprozeßes sind jedoch die Revolution und revolutionäre Praxis im Allgemeinen und Revolution des Jahres 1979 im Besonderen gewesen.

Jeden Monat werden durch Personen, Gruppierungen und Strömungen, die sich allesamt aus den inzwischen älter gewordenen Hinterbliebenen und Teilnehmern der 79er Revolution zusammensetzen, ein Berg von Beiträgen veröffentlicht. Dies alles zu lesen, zu verfolgen, die Teilnahme an den Beschäftigungen und Gedankenwelten ihrer Verfasser ist zwecklos und gleichzeitig eine kaum zu bewältigende Sache. Unproblematischer ist dagegen die Betrachtung des bereits erwähnten ”neuen” Denkprozeßes. Hierfür kann man vom Assoziationsgesetz der kognitiven Gedächtnispsychologie Gebrauch machen, um die Reaktionen dieser Publikationen auf die Schlüsselwörter (wie z.B. Revolutionsthematik) zu testen. Das Ergebnis wird keinen Anlaß zur Skepsis geben. Revolution ist Extremismus; Revolution ist Gewalt; Revolution ist Totalitarismus; Revolution ist Vernichtung. Und warum auch nicht, denn wer von den Hinterbliebenen der 79er Revolution ist im Stande für einen Moment die Augen zu schließen, über die letzten 17 Jahren nachzudenken und dabei an schönen Erinnerungen zu stoßen? Millionen von Menschen sind zum Leben in einem äußerst reaktionären und äußerst bestialischen Gesellschaftssystem verurteilt worden. Es wurde eine Gesellschaft basierend auf Angst, Armut und Lüge aufgebaut, in der Fröhlichkeit verboten, eine Frau zu sein eine Straftat, das Leben an sich eine Strafe und Flucht etwas unmögliches ist. Eine ganze Generation, vielleicht die Hälfte der Bevölkerung haben in dieser Hölle den Blick auf die Welt geöffnet und kennen außer diese Hölle keine andere Erinnerung. Für viele andere ist der lebendigste Gedanke die Erinnerung an unvergeßliche Gesichtern von makellosen Menschen, die mit ihren eigenen Blut übergossen worden. War der Anfang dieses Alptraums nicht etwa das Jahr 1979 - das Revolutionsjahr? Vielleicht war es bei manchen der unglückliche Ausgang der Revolution, der für das Entstehen und den Verlauf ihres ”neuen” Denkens eine Rolle gespielt hat. Aber weder das Ausmaß dieses Bereuen noch der bittere Tonfall und die Hysterie der heutigen ”Neudenker” können mit dem Mißgeschick der 79er Revolution zu erklären sein. Es ist so, als ob man neben einer Brücke sitzt und die Rückkehr einer besiegten Armee beobachtet. Es ist dann nicht verwunderlich, wenn man diese Besiegten betrübt, verdutzt, verblüfft, verstummt und niedergeschlagen wiederfindet. Jedoch kommen diese Leute mit geballten Fäusten. Wenn man genauer zuhört, sieht man sie eine Hymne summen. Ja, man irrt sich nicht, sie kommen um nochmals in den Krieg zu ziehen. Krieg gegen ihr eigenes ”Territorium”, ihre ”Bastionen”, ihre ”Burgen” oder auf jeden Fall gegen all das, was sie sich selbst seiner Zeit als solches eingebildet und als solches benannt hatten. Sie kommen zurück, um sich an sich selbst und an ihren früheren Bekannten und Vertrauten zu rächen. Für jemand, der aus dem Burginnern nach außen guckt, ist dies ein gruseliger und erschreckender Anblick.

Kaum eine gescheiterte Revolution oder niedergeschlagene Bewegung ist von ihren früheren leidenschaftlichen Befürwortern mit einem solchen Maß an Verbitterung begleitet worden. Die Konstitution-Revolution (1905-1911) und die Bewegung für die Verstaatlichung der Erdölindustrie (1951-1953) im Iran, die Zeit die Allende-Regierung in Chile, die Revolution in Portugal, der Bergarbeiterstreik im England, um ein Paar Beispiele zu nennen, haben bei ihren Pionieren und Teilnehmern immer großen Respekt hervorgerufen. Die Ursachen für die heutige ”Neubetrachtung” der gestrigen Revolutionären Irans müssen anderswo gesucht werden. Es ist eine Tatsache, daß die Jahre nach der 79er Revolution auf der Weltebene mit wesentlich wichtigeren Ereignissen zusammenfielen. Der Zusammenbruch des Ostblocks, der in den letzten Zeiten nur in der Propaganda von den demagogischsten Sprechern des Warschauer- und des NATO-Pakts und ihren dümmsten Anhängern als ”sozialistisches Lager” bezeichnet wurde, war ein politisches und gesellschaftliches Erdbeben, das die ganze Welt erschütterte. Die Eliminierung eines Pols der bis dahin bipolaren Welt war an sich aufwühlend genug für diese Welt, deren ganzes Hab und Gut, von Wirtschaft und Produktion bis hin zu Wissenschaft und Kunst, seit Jahrzehnten auf diese Gegnerschaft hin ausgerichtet war. Was aber in den Gebieten der Meinungen, Gedanken und Ideen ausschlaggebend war, ist die Tatsache, daß die Herrscher der Welt mit ihren großen Herden von besoldeten Sprechern und Propagandisten in der Universitäten und Medien der Zusammenbruch des Ostblocks als Zusammenbruch von Kommunismus und als das Ende von Sozialismus und Marxismus darstellen konnten. Die Gesamtheit dieser Gaukelei hat allerdings nicht länger als sechs Jahre gedauert und heute sind allem Anschein nach die Zeiten der Lügen und Täuschungen vorbei. Aber diese sechs Jahre haben die Welt erschüttert. Das war kein Ende des Sozialismus, jedoch ein Hinweis dafür, welch ein Alptraum ein Ende des Sozialismus in der Tat sein kann und daß sich die Welt ohne den Sozialismus, ohne die Hoffnung auf den Sozialismus und ohne die ”Gefahr” des Sozialismus in eine Schlammgrube verwandeln wird. Es wurde deutlich, daß die Welt, egal ob die von Herrschern oder Beherrschten, den Sozialismus mit Veränderung assoziiert. Das Ende des Sozialismus wurde als das ”Ende der Geschichte” verkündet. Es wurde deutlich, daß das Ende der Sozialismus das Ende des Anspruchs auf die Gleichheit ist, das Ende des freien Denkens und das Verlangen nach Fortschritt, das Ende des Anspruchs auf Wohlstand, das Ende der Hoffnung auf ein besseres Leben für die Menschheit. Das Ende des Sozialismus wurde mit der unumstößlichen Vorherrschaft der Gesetze des Dschungels und Ursprünglichkeit der Gewalt in Wirtschaft, Politik und Kultur gedeutet. Und unmittelbar danach sickerten Faschismus und Rassismus, das Patriarchat, die Volkstümelei und die Religion sowie antisoziale Tendenzen und Gewalttätigkeiten aus allen Ritzen der Gesellschaft.

Die weltweite Welle des ”neuen Denkens”, die nach diesen Ereignissen zustande kam, war bemerkenswert. In einem internationalen Wettbewerb des Bereuens und des Einschmeichelns wurden die Tugenden von gestern für Schmach gehalten; es wurden die Prinzipien von gestern verdammt und die Ideale von gestern verhöhnt. Verachtung und Kapitulation haben sich als neuen Sinn des Lebens durchgesetzt. In der Büßer-Kultur der Intellektuellen der neuen Weltordnung, in der jeder, der ein besseres Leben für seine Mitmenschen verlangte und der Meinung war, daß die bestehenden Verhältnisse verändert werden können und müssen; in der jeder, der der Gleichheit der Menschen beistimmte und sie zu einem besseren Leben einlud; jeder, der von Notwendigkeit der gemeinsamen Anstrengung von Menschen zur Einflußnahme auf ihr Schicksal und auf ihren Anteil an der Welt sprach; jeder, der Staat und Gesellschaft für das Individuum und sein Wohlergehen und seine Freiheit verantwortlich sah - dieser wurde von tausenden Tribünen herab als Illusionist, Utopist, Ewiggestriger, als leichtsinnig und realitätsfremd betitelt. Die Resignation wurde als Kennzeichen von Weisheit und das Wegwerfen der hohen menschlichen Ideale wurde als Realismus und Scharfsinn bezeichnet. Es stellte sich plötzlich heraus, daß jeder neu eingestellte Journalist und Hochschulassistent und jeder pensionierte Oberst die Antworten auf die geistigen Riesen der modernen Welt von Voltaire und Rousseau bis Marx und Lenin parat hat; und daß die ganze Problematik des Freiheitswollens und des Gleichheitsverlangens sowie die Bemühungen der Millionen von Menschen in den letzten Jahrhunderten nichts anderes gewesen wären als eine nutzlose Zeitvergeudung auf dem Weg hin zum majestätischen Bauwerk des ”Ende der Geschichte”, die schnellstens vergessen werden müssen.

In Anlehnung an dieses internationale Klima machten sich die Ex- Revolutionäre ans Revisionswerk ringsum die 79er Revolution im Iran und die revolutionäre Praxis überhaupt. Die Konsequenzen, die sie daraus gezogen haben, schulden ihren Bestand vielmehr demjenigen Vorgang, der in einem internationalen Ausmaß die genannten Ideale und Grundsätze verspottete und für ein Paar Jahre zur Mode wurde, als daß sie die Resultate einer niedergeschlagenen Revolution wären.

Es ist gesagt worden, daß die Geschichte immer von den Siegern geschrieben worden ist. Dem muß man aber hinzufügen, daß die Geschichte, welche die Besiegten schreiben, mehrfach verlogener und vergifteter ist. Denn diese zweite Geschichte ist nichts anderes als jene erste im Mantel von Trauer und Elegien, Ergebung und Selbstbetrug. Wenn aber die Geschichte, die Erzählung von Veränderungen ist, dann wäre die wirkliche Geschichte, die von Unbesiegten. Die Geschichte einer Bewegung und einer Bevölkerung, die nach wie vor die Veränderung wollen und sich dafür anzustrengen wissen. Die Geschichte derjenigen, die nicht bereit sind, ihre Ideale und Hoffnungen für eine menschliche Gesellschaft zu begraben. Die Geschichte derjenigen Bevölkerung und Bewegung, die in der Wahl ihre Grundsätze und Ziele nicht frei und beliebig reine Wünsche zur Auswahl haben, sondern gezwungen sind für die Verbesserung von dem, was existiert, zu sorgen. Die 79er Revolution ist aus der Sicht von den beiden Geschichten, denen von Siegern und Besiegten gleichermaßen, eine Treppe zum Aufstieg des Islam und des Islamismus, und die Ursache derjenigen Verhältnisse, die heute im Iran herrschen. In der wirklichen Geschichte aber war die 79er Revolution eine Bewegung für Freiheit und Wohlstand, die zerschlagen wurde.

Die Katastrophen während der Zeit nach der Revolution im Iran müssen ihren wahren Verursachern in Rechnung gestellt werden. Die Bevölkerung hatte das Recht, das monarchische Regime mit all jenen Diskriminierungen und Ungleichheiten, der Unterdrückung und den Erniedrigungen, die sein Fundament ausmachten, abzulehnen und sich zu erheben. Es war das gute Recht der Bevölkerung am Ende des 20. Jahrhunderts keinen Schah, keine SAVAK (Geheimdienst des Schah), keine Folter und keine Folterkammern zu wollen. Die Bevölkerung hat das Recht gegenüber einer Armee, von der sie unmittelbar zum Beginn ihren ersten Protestdemonstrationen geschlachtet wurde, zur Waffe zu greifen. Die 79er Revolution war eine Bewegung für Freiheit, Gerechtigkeit und Menschenwürde. Der Islamismus und die islamische Regierung waren nicht nur kein Ergebnis dieser Revolution, sondern sie waren eine Waffe, die bewußt für die Niederwerfung dieser Revolution ins Feld geführt wurde. Und das in einer Zeit, als die Schwäche und die Niedergang des Schah-Regimes nun für alle offensichtlich geworden war.

Im Gegensatz zu den gängigen Meinungen hatte die islamische Republik ihre Existenz nicht in erster Linie den Moscheen-Netzwerken und den Scharen von zweitrangigen Mullahs zu verdanken. Der Ursprung dieses Regimes war nicht die Macht der Religion in der Bevölkerung oder die schiitische Macht, oder das Modernisierungsdesinteresse der Bevölkerung und ihre Abneigung gegenüber der ”westlichen Kultur”, oder der übermäßig rasanten Verstädterung oder ein Mangel an ”Demokratie - Praxis”. Dieser Unsinn mag der beruflichen Kariere von einigen halbfertigen ”Orientalisten” und Medienkommentatoren nützlich sein, sie sind aber von der Wahrheit weit entfernt. Die islamische Strömung wurde von denjenigen Kräften zur Bühne der 79er Revolution geführt, die bis dahin das Schah-Regime stützten und seine SAVAK ausbildeten. Dies waren diejenigen, die über das Potential an Radikalismus und die Linksorientierung der Revolution im Iran Bescheid wußten und die aus dem Streik der Arbeiter in der Erdölindustrie ihre Lektion gezogen hatten. In dem ständigen Gerangel des kalten Krieges brauchten sie einen ”grünen Gürtel”. Für die ”Islamisierung” der Revolution im Iran wurden Unmengen an Geldern ausgegeben, Pläne wurden geschmiedet, Sitzungen fanden statt. Es mußte tausenden Personen, von westlichen Diplomaten und Militärattachés bis zu den schon immer ”ehrenhaften” Journalisten aus Welt der Demokratie, in einer monatelangen Anstrengung viel Schweiß kosten, bis es ihnen gelungen war, aus einer rückständigen, verschimmelten und isolierten Randerscheinung in der politischen Geschichte des Iran, eine ”Revolutionsführung” und eine staatliche Alternative für die städtische und neuindustrialisierte Gesellschaft im Iran des Jahres 1979 zu konstruieren. Herr Khomeini kam nicht aus Nadjaf (2) und Ghom (3), und nicht an der Spitze von Scharen, auf Rücken der Eseln reitenden Mullahs aus den am Weg gelegenen Dörfern; sondern er kam aus Paris und mit dem ”Revolutionsflug”. Der 79er Revolution war die Verkörperung der edelsten Proteste der entrechteten Bevölkerung Irans. Die ”islamische Revolution” und das islamische Regime waren hingegen ein Produkt des kalten Krieges; das Produkt der modernsten politischen Gleichung der damaligen Welt. Die Architekten dieses Regimes waren Strategen und Macher der politischen Richtlinien der Westmächte. Diejenigen also, die heute aus dem Sumpf des ”Kulturrelativismus” heraus, das von ihnen selbst erzeugten Ungeheuer als ein natürliches Produkt der ”orientalisch-islamischen Gesellschaft” und als passend zu der Bevölkerung der ”islamischen Welt”, ein weiteres Mal legitimieren. Die gesamten wirtschaftlichen, politischen und propagandistischen Möglichkeiten des Westens wurden über Monate hinweg vor und nach dem Februar 1979 für die Installierung und Aufrechterhaltung dieses Regimes mobilisiert.

Die Tatsache selbst, daß dieses social engineering im Iran ermöglicht wurde, war aber dem Zustand der politischen und sozialen Kräfte innerhalb Iran zu verdanken. Das Material dafür war ausreichend vorhanden. Der Islamismus hat in allen Ländern der Region existiert, aber bis zu den damaligen Ereignissen im Iran, wurde es in keinem Zeitabschnitt zu einer beachtlichen politischen Kraft, und zu einer Hauptfigur auf der politischen Bühnen dieser Länder. Die islamische Konterrevolution wurde nicht durch eine geringfügige Kraft der islamischen Strömung, sondern auf dem Schultern der wesentlichen politischen Traditionen der Opposition im Iran aufgebaut. Die islamische Konterrevolution wurde auf dem Schultern der nationalistischen, sogenannten ”liberalen” Tradition der ”Nationalen Front” errichtet, die Arbeiter und Kommunisten mehr als alles anderes fürchtete, und die ihr ganzes Leben unter dem Mantel der Monarchie und dem Überwurf der Religion mit dem Kauen ihrer Nägel verbracht hatte. Eine Tradition, die während ihrer ganzen Geschichte nicht im Stande war, nur eine einzige halbwegs säkulare Offensive gegen die Religion in Politik und Kultur im Iran zu starten. Eine Tradition, deren Führung und Persönlichkeiten zu den ersten Huldigern der Islamisten gehörten. Die islamische Konterrevolution wurde mit Hilfe der Tradition der Tudeh-Partei (pro-sowjetische Partei im Iran) errichtet, deren ganze Existenzphilosophie aus einem Anti-US-Amerikanismus um jeden Preis und einer Stärkung ihres ”internationalen Lagers” bestand. Sie sah im islamischen Regime, unabhängig davon, was es dem Menschen und der Freiheit antat, einen fruchtbaren Boden für Manöver und Manipulation. Das Regime des Islam wurde von derjenigen dekadenten, anti-modernistischen, fremdenscheuen, die Vergangenheit verheerenden und vom Islam befallener Tradition getragen, die über den größten Teil der künstlerischen und intellektuellen Kreise Irans herrschte, in der auch das primäre Protestmilieu der Jugend und der Studierenden war. Khomeini hat gesiegt, nicht weil viele abergläubische Leute sein Bild auf dem Mond gesehen hatten, sondern weil die traditionelle Opposition und diese dekadente, nationalistische und regressive Kultur, ihn, der im wahrsten Sinn des Wortes eine Importware war [also einen der am künstlichsten zustande gekommenen politischen Figuren der zeitgenössischen Geschichte Irans], als ”made in Iran”, als einheimisch und als anti-westlich einstuften und verherrlichten. Die islamische Konterrevolution war eine Konsequenz aus der Tatsache, daß die Handlungsinitiative in der Protestbühne aus den Händen der modernistischen und sozialistischen Bewegung der Arbeiter der Erdöl- und der Großindustrie in die Hände von Irans traditioneller Opposition gefallen war. Diese waren es, die die vom Westen geliefert bekommene Person ”Khomeini” und das Szenario der ”islamischen Revolution” der protestierenden Bevölkerung praktisch vor die Nase setzten.

Trotz alledem konnte die islamische Zauberkunst nur einen kurzen Stillstand in dem Verlauf der 79er Revolution hervorrufen. Die Geschehnisse unmittelbar nach dem Februar-Aufstand (4) haben gezeigt, daß die Dynamik der Revolution immer noch Bestand hat; sie haben gezeigt, daß die Bevölkerung, welche Parolen ihr auch immer eingeredet worden waren, auf jeden Fall nicht für den Islam, sondern für Freiheit und sozialen Wohlstand ins Feld gezogen und nach wie vor im Feld geblieben waren. Schließlich wurde die 79er Revolution, wie auch bei den allermeisten Revolutionen, am Endeffekt nicht durch Täuschung und Inszenierung, sondern durch eine äußerst blutiger Zerschlagung besiegt. Der Zeitabstand zwischen 11. Februar 1979 bis 20. Juni 1981 (5) war der ganze Zeitraum, die der Islam und die Islamisten unter Verwendung von all den Investitionen und Bemühungen den hilflosen Auftraggebern des Schah-Regimes gewähren konnte. Und sie haben auch selbstverständlich keine längere Zeit benötigt. In der wirklichen Geschichte Irans, klebt der 20. Juni 1981 am 8. September 1978, und ist ein weiteres Glied in derselben Kette. Khomeini, Bazergan, Banisadr, Sandjabi, Madanie, Fruhar, Jazdi, Radjai und Beheschti (Sie kamen allesamt entweder aus traditionellen Opposition oder aus schiitischen Klerus) sind Namen, die unmittelbar nach Namen wie Mohamad Reza Pahlawi (Schah), Amuzgar, Schrifemami und Baktiar (Premierminister unter dem Schah), Ovaissi, Azhari und Rahimi (des Schahs hochrangigste Generäle) erwähnt werden müssen. Als Figuren, kamen sie eine nach der anderen auf die politische Bühne, um einer Revolution und den Protesten der Bevölkerung den Weg zu versperren. Das monarchische Regime und seine bunte Figuren wurden durch ununterbrochene Schläge der Protestbewegung besiegt. Der islamischen Republik hingegen war es gelungen, Zeit zu gewinnen und die Kräfte der Reaktion zu rekonstruieren und reorganisieren, um somit die Volksrevolution auf blutigste Art und Weise zu zerschlagen. Die Tagesordnung der beiden Regimen war dieselbe.

Mehr als die Hälfte der heutigen Bevölkerung Irans ist so jung, daß sie nicht mehr als einen blassen Schimmer von der 79er Revolution haben kann. Ihr Bezug zu den damaligen Ereignissen ist dem Bezug der revolutionären 79er Generation zu den Geschehnissen der Mossadeghs-Zeiten ähnlich (6). Eine vergessene und unfaßbare Epoche, die anscheinend nur im Gedächtnis ihrer zeitgenössischen Generation als lebendig und wichtig wahrgenommen wird. Es gibt viele unterschiedliche Versionen dieser Epoche, die weniger etwas hinsichtlich der historischen Wahrheiten sagen, sondern vielmehr eine Beurteilung des Erzählers selbst und seines Platzes in der heutigen Welt ermöglichen. Der Mensch betrachtet immer aus dem Fenster von Heute die Vergangenheit und ist dabei auf der Suche nach einer Bestätigung für seine heutigen Absichten und Handlungen. Auch unsere ”Neudenker” sind in der Betrachtung der 79er Revolution auf der Suche nach einem Weg zum Hochhalten einer Fahne im Iran des Jahres 1996. Diese Fahne hat jedoch schon immer existiert. Wer jedes Mal mit welchen Zeremonien und ununterbrochenen Murmeln von irgendwelchen Gebets- und Zauberformeln unter dieser Fahne auftaucht ist Nebensache.

Mansoor Hekmat

Der Anhang und die in Klammer stehenden Texte sind vom Übersetzer.

Anhang:

(1) Der Beitrag ist zum ersten Mal im Zeitschrift ”Noghteh” Nr.4 und 5, Winter und Frühling 1996 auf Persisch erschienen.

(2) Stadt im Irak, Ein Zentrum des schiitischen Klerus.

(3) Stadt im Iran, Ein weiteres Zentrum des schiitischen Klerus.

(4) Landesweiter und bewaffneter Aufstand der Bevölkerung am Samstag, 11. Februar 1979, das den endgültigen Sturz des Schah-Regimes und der Monarchie im Iran herbeiführte.

(5) Der 20. Juni 1981 war der Gipfel und zugleich der Wendepunkt des putschartigen und blutigen Angriffs des islamischen Regimes auf die Revolution und revolutionäre Bewegung insgesamt sowie auf deren Errungenschaften insbesondere. Der Terrorwelle richtete sich vor allem gegen die Arbeiterschaft, die Frauen, die Studierenden, die Bevölkerung in Kurdistan, die politischen Parteien und gegen eine breite Palette von sozialen und individuellen Rechten; in Folge dessen sind bis heute über 150.000 Menschen hingerichtet worden.

(6) Die Bewegung zur Verstaatlichung des Erdöls während Zeiten des Premierminister Mossadegh (1951-1953), die zur Verstaatlichung der britischen Erdölgesellschaft AIOC führte, und mit dem von USA und England geplanten CIA-Putsch am 19. August 1953 und Umsturz von Mossadghs-Regierung endete.

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Schlußfolgerung (nemetico)

Aus dem Text Mansoor geht sehr deutlich eine Einschätzung hervor, die ich teile: die Machtergreifung Khomeneis war keine “islamische Revolution”, sondern eine islamistische Konterrevolution gegen die Arbeiter - Revolution von 1979.
Diese Einschätzung auch der gegenwärtigen Ahmedinedschad - Regierung ändert nichts an der Notwendigkeit, den Iran gegen Angriffe des Imperiums zu verteidigen, dabei aber keinen Augenblick zu vergessen, welchen Charakter das regierende Regime in Teheran hat.

Dieser Eintrag wurde am Samstag, den 12. Mai 2007 von nemetico geschrieben und in die Kategorie Internationale Politik eingeordnet. Du kannst alle Kommentare zu diesem Artikel mit dem RSS 2.0 Feed beobachten. Du kannst eine Antwort hinterlassen, oder durch einen Trackback auf diesen Artikel verlinken.
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Kommentar von broadcast am 14. Mai um 13:49 Uhr

interessant in diesem Zusammenhang folgender Artikel:

http://www.sav-online.de/?sid=2107

Mit seinen Parolen gegen die USA und Israel versucht der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad Massenunterstützung in der islamischen Welt zu gewinnen. Die wachsende Wut und Trauer über die blutige Besatzung im Irak, Afghanistan und Palästina erleichtern dem Hardliner, sich als radikalen Gegner des Imperialismus darzustellen. Gleichzeitig gerät Ahmadinedschad innenpolitisch zunehmend unter Druck.

von Toufan Azadi

Im Zuge der iranischen Revolution 1979 kamen die Mullahs in diesem ölreichen Land (mit heute 70 Millionen Menschen) an die Macht. Das neue Regime stützte sich auf kleine Händler und die verarmte Landbevölkerung. Kapitalismus und Feudalherrschaft wurden nicht beseitigt.

1997 war Mohammed Chatami zum Präsidenten gewählt worden. Er gehörte der herrschenden Elite an, repräsentierte jedoch den Reform-Flügel. In acht Jahren Präsidentschaft unter Chatami verspielte dieser jedes Vertrauen der Arbeiterklasse. Von umfassenden demokratischen Rechten konnte auch unter Chatami keine Rede sein. Gleichzeitig kam es zu Sozialkürzungen und verstärktem Arbeitsdruck.
Sozialprogramme

Vor diesem Hintergrund konnte Ahmadinedschad im Wahlkampf um das Präsidentenamt 2005 mit radikalen Slogans gegen die Großmächte und Konzerne die verarmte Bevölkerung mobilisieren. Damit einher gingen viele soziale Reformversprechen. Diese Rhetorik brachte ihm auf der einen Seite vorübergehend Unterstützung, auf der anderen Seite weckte sie Erwartungen auf ein besseres Leben.

Die Ölgelder gaben Ahmadinedschad einen gewissen Spielraum. Allerdings kamen die Benzin-Subventionen vor allem den Vermögenden zu Gute. Denn begünstigt werden jene, die sich mehrere Autos leisten können. Bis auf einige Verschönerungen symbolischer Plätze in den Großstädten hat es keine Verbesserung gegeben. Nach wie vor ist die Arbeitslosigkeit mit offiziell elf Prozent hoch. Unter der Jugend, die zwei Drittel der Bevölkerung ausmacht, liegt sie in einigen Regionen bei über 40 Prozent. Gleichzeitig sind die Lebenshaltungskosten gestiegen. Zudem wird die Selbstbereicherung und die Korruption unter den Staatsangestellten immer offensichtlicher.

Die Hoffnungen in umfassende Sozialprogramme und in Ahmadinedschads Person sind wieder zurückgegangen. Das zeigte sich bei der Wahl zur „Expertenrunde“ im Dezember 2006, bei der sein favorisierter Kandidat den sechsten Platz einnahm, während die ersten fünf Plätze an von seinem Widersacher Akbar Haschemi-Rafsandschani favorisierte Kandidaten gingen.
Flügelkämpfe

Unter den Herrschenden sind einige mächtige Leute, die mit Ahmadinedschads Kurs nicht einverstanden sind. Rafsandschani, einer der Hauptkontrahenten, steht für eine stärker neoliberal ausgerichtete Wirtschaftspolitik und für eine Öffnung des iranischen Marktes. Sein Ziel ist es, den iranischen Kapitalismus durch eine größere Integration in den Weltmarkt zu stärken. Der Flügel um Ahmadinedschad meint, das iranische Kapital würde mit protektionistischen Maßnahmen besser fahren. Der so genannte Religionsführer Ali Chamenei, der ein ständiges Vetorecht hat, balanciert zwischen beiden Flügeln, jedoch drängt auch er mittlerweile auf weitere Privatisierungen. Somit ist die Position Ahmadinedschads innerhalb der Herrschenden geschwächt.

Anfang April erklärte ein hochrangiger Sittenwächter, dass die „islamische Kleiderordnung“ wieder einzuhalten sei. Bei Zuwiderhandlung würde es erst Strafgebühren geben. In den letzten Jahren war die Kleiderordnung gesetzlich zwar Pflicht, wurde aber vom Staat nicht mehr so intensiv verfolgt. Das Kopftuch wurde von vielen Frauen selbstbewusst nur sehr locker getragen. Die Ankündigung, dass die Kleiderordnung wieder durchgesetzt würde, ist eine Provokation.

Gleichzeitig gibt es seitens der Regierung Aufrufe an die Jugend, sich wieder mehr mit den „islamischen Werten“ zu identifizieren. Damit einher gehen Disziplinarverfahren an den Universitäten gegen kritische und politisch aktive Studierende.
Gegenwehr

Ahmadinedschad versucht, auf die soziale Krise mit Ablenkungsmanövern und Unterdrückung zu reagieren. Es ist aber fraglich, ob seine Rechnung aufgeht. In den letzten Jahren kam es zu einer enormen Zunahme von Arbeitskämpfen. Außerdem hat das Selbstbewusstsein der iranischen Mittelschicht zugenommen. So haben vor allem Frauen aus dieser Schicht begonnen, die reaktionären Moralvorstellungen der Islamisten in Frage zu stellen. Gegenwärtig findet eine Unterschriftenkampagne für mehr Frauenrechte statt. Eine Million Unterschriften sollen gesammelt werden. Erst wurden einige der Wortführerinnen festgenommen. Dann sahen sich die Behörden jedoch gezwungen, die Frauen aufgrund des öffentlichen Drucks wieder freizulassen.

Die iranische Jugend hat längst aufgehört, ihre Identität zu verstecken und ist zunehmend in öffentliche Räume vorgedrungen. Diese Identität spiegelt sich auch kulturell wider. Iranische Kinofilme der letzten Jahre beispielsweise haben im Land einen sehr hohen Stellenwert eingenommen. In diesen Filmen stellen junge Regisseure indirekt die Absurdität frauen- und jugendfeindlicher Moralvorstellungen des islamistischen Gottesstaates dar und ironisieren die Funktionsweise des patriarchalischen Familienwesens.
Arbeiterproteste

In der Arbeiterschaft mündet die Unzufriedenheit immer mehr in Proteste, Streiks und die ersten Ansätze von Selbstorganisation. Allein im Jahre 2006 hat es 1.200 Proteste von abhängig Beschäftigten gegeben. Da es ein striktes Organisations- und Versammlungsverbot gibt, sind die Streiks in der Regel spontan.

Auch in diesem Jahr gab es bereits mehrere bedeutende Streiks. Am 30. Januar besetzten 150 Arbeiter-Innen der Sadra-Werft das Werfttor gegen die Entlassung von 38 ihrer KollegInnen. Am 4. März streikten 12.000 Arbeiter von Karun, einer Agrargesellschaft, und forderten die Auszahlung ihrer Gehälter. Die Gesellschaft war vor einigen Jahren privatisiert worden. Am 14. März demonstrierten in Teheran Tausende von LehrerInnen für höhere Löhne. Der Staat antwortet mit äußerster Brutalität. Tausend DemonstrantInnen wurden verhaftet. Die meisten sind wieder freigelassen worden.

Die wichtigste Entwicklung ist der Kampf der Busfahrergewerkschaft Vahed, als unabhängige Gewerkschaft anerkannt zu werden. Seit Ende 2005 duldet der Staat mehr oder weniger ihre Existenz. Die Busfahrer von Teheran und ihre unabhängig aufgebaute Gewerkschaft haben sehr viel Sympathien. Der Staatsapparat versuchte während des Streiks 2006, dem größten Streik seit 1979, diese Gewerkschaft durch die Gefangennahme von Mansour Ossanlou, eines ihrer führenden Mitglieder, den Kopf zu nehmen. Doch damit wurde eine landesweite Kampagne für seine Freilassung provoziert.

Der Druck auf Ahmadinedschad und die Herrschenden insgesamt nimmt zu. Ein neues Selbstbewusstsein ist entstanden, das für die Islamisten zu einem unkontrollierbaren Faktor werden kann. Das gilt umso mehr, je schwächer die Unterstützung für den islamistischen Staat wird und die Flügelkämpfe innerhalb der herrschenden Klasse zunehmen. Der Konflikt mit den USA kann Ahmadinedschad natürlich vorübergehend auch wieder größeren Rückhalt geben.

Die Busfahrer von Teheran haben einen entscheidenden Schritt zur Selbstorganisation gemacht. In den kommenden Auseinandersetzungen werden weitere Teile der Arbeiterklasse und der Jugend diesem Beispiel folgen.

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